Buchhinweis im 
November
 
2016
 

AUGUSTUS

John Williams
dtv

Welch faszinierende Gestalt! Viele haben vom römischen Kaiser Augustus aus der Weihnachtsgeschichte schon mitbekommen, dass sein Erlass ausgegangen war, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen. Das geschah, als Quirinus Statthalter von Syrien war. Alle gingen in ihre Stadt, um sich eintragen zu lassen.
 
Der historische Roman von John Williams malt vor unseren Augen ein monumentales Bild von der Zeit der Regentschaft von Octavius, den man den Augustus, den Erhabenen nannte.
Julius Cäsar, im Jahre 44 vor Christus von Brutus und zwei Mittätern ermordet, hatte Augustus, den er als Sohn adopiert hatte, noch zu seinen Lebzeiten als Nachfolger bestimmt. Es begann eine Regentschaft, die anfangs durch unzählige Intrigen und Machtkämpfe gezeichnet sein sollte. Augustus gelang es aber, Ruhe in die verworrene Zeit zu bringen. Und von dieser Zeit handelt der Roman.
 
Williams tut das geschickt mit Briefen bekannter Persönlichkeiten an den Kaiser, oder umgekehrt von Briefen des Augustus an ihm wohlgesonnene Personen, Freunde und Angehörige. Seine Tochter Juli und bekannte römische Chronisten aus jener Zeit ergänzen oder kommentieren diese Briefe und eröffnen differenziertere Sichtweisen; von daher eine absolut interessante Kompositionsweise, Ordnung in eine komplexe Masse historischer Tatsachen und romanhafter Ergänzungen zu bringen.
 
Es ist schon faszinierend, wie Kommunikation – mündlich oder in Briefform – damals funktioniert hat. Man bediente sich der Meldeläufer, zu Fuss, zu Pferd oder zu Schiff auf dem Mittelmeer. Ganz und gar unglaublich, wie römische Heere zur gleichen Zeit an verschiedenen Brennpunkten der damaligen Welt aktiv waren. Dies immer in Verbindung mit der Stadt Rom und untereinander. Wie die grossen Heere früher befehligt werden konnten, war mir schon immer ein Rätsel.

Des Schriftstellers Stärke sind die Schilderungen des Lebens von Volk, Adeligen und Untertanen in farbigen Bildern. Die Stadt Rom war zu jener Zeit ein Hexenkessel und ein völkisches Durcheinander auf kleinstem Raum. Vor den Stadtmauern breitete sich die schönste Landschaft aus, die man sich vorstellen konnte, doch drinnen lebte man zusammengedrängt wie Fische im Netz und schob sich durch die engen Gassen, die die Stadt wie planlos durchzogen. Volk, Zugtiere, Wagen und Karren drängten durch die Strassen der Stadt, in der Lärm und Gestank unglaublich gewesen sein müssen. Nach Einbruch der Dunkelheit wagte sich niemand mehr ohne persönliche Leibwache in die Stadt. Wer sich das leisten konnte?
 
Auf gut vierhundertfünfzig Seiten erfährt der Leser eine Fülle von Informationen über das Schicksal der Sklaven, das Leben der römischen Bürger und des römischen Adels, über die Regierungsformen mit Konsuln, Senatoren und Richtern. Weiter erhält er Einblick in die Wohnverhältnisse und in das Privatleben der Menschen jener Zeit. Es ist sehr spannend, zu erfahren, was die Römer alles von den Griechen geerbt haben. Die später im Rom hochentwickelte Bäderkultur ist zum Beispiel ein Erbe, das den Römern von den Griechen überlassen worden ist. Schliesslich begegnet man auf Schritt und Tritt einer Kultur, deren Erbe wir Heutige noch sind. Das vor Augen zu haben, öffnet Horizonte.
 
Natürlich fehlen, wie es in einen historischen Roman gehört, nicht spannend-süffige Schilderungen von Intrigen, Verleumdungen, Verführungen und so weiter. Auch das Techtelmechtel des Antonius mit der ägyptischen Kaiserin Cleopatra oder das exzessive Privatleben der Augustus-Tochter Julia finden den ihnen gebührenden Platz.
 
Alles in Allem: Ein pures Lesevergnügen für den, dem Kenntnisse geschichtlicher Fakten und Schilderungen darüber, wie Menschen früher gedacht, geglaubt und gehandelt haben, wichtig sind.
 
Was dem Buch fehlt: eine geographische Karte der damaligen „Welt“, mit einem ausführlicheren Personenregister wären hilfreich.