Buchhinweis im 
Mai
 
2016
 

DICTATOR

Robert Harris
Heyne-Verlag

Immer wieder die Römer. In der Mittelstufe der Volksschule hat der Lehrer von den Römern erzählt. Nachher, in der Oberstufe, wurde wieder bei den Römern angefangen.
Darauf in der Mittelschule: die Nach den Ägyptern und den Griechen wurden die Römer gründlich nochmals behandelt. Von Julius Cäsar und den Helvetiern wurde erzählt und von der Schlacht bei Bibracte. Und zu Weihnachten alle Jahre wieder das Evangelium vom Kaiser Augustus, als das Volk gezählt werden sollte und Maria und Josef sich aufmachten, sich in ihrer Heimatstadt einzuschreiben.

Der britische Bestseller-Autor Robert Harris hat drei Romane über den grossen Redner und Staatsmann Cicero geschrieben. In seinem dritten Band nun erzählt er von der Zeit, als Julius Cäsar ermordet wurde, weil dieses hervorragende militärische Genie nach der Staatsmacht trachtete. Zehn Jahre später kam ein anderer Cäsar, der nicht minder schlaue und ehrgeizige Octavianus Augustus. War Rom bislang eine Republik gewesen, verstand es Augustus, daraus eine kaiserliche Herrschaft zu machen, die nach ihm noch über 500 Jahre Bestand haben sollte.

Der historische Roman bildet die damaligen Verhältnisse auf faszinierende Weise ab. Das ganze Buch ist die wahrheitsgetreue Erzählung, wie sie durch Ciceros Privatsekretär aufgezeichnet worden ist. Das alte Rom, wie wir es nennen, war eine Mischung aus Volks- und zugleich Adelsherrschaft. Die Senatoren aber bildeten die Führungsschicht, die den Willen des Volkes aushebeln konnte. Intrigen waren an der Tagesordnung.
Hinzu kam, dass verschiedene römische Heerführer in weiten Teilen Europas und in Nordafrika Kriege führten und ganze Völker versklavten. Die Heerführer wurden bei ihrer Heimkehr in der Stadt Rom wie Helden empfangen und bedingten für sich dafür die Mitsprache in der Regierung aus; eine heillose Mischung von militärischen Erfolgen. Die Schwierigkeit, den durch Eroberungen schwerfällig gewordenen Staat zu führen lastete schwer auf Rom.

In dieser Zeit fällt der dritte Lebensabschnitt des grossen Staatsmannes, Denkers und Philosophen Cicero. Seine grosse Macht war die des Wortes: er war ein begnadeter Redner und Debattierer im Senat wie vor dem gemeinen Volk. Aus seiner Verbannung zurück nach Rom berufen, mischte er sich in die Angelegenheiten des Oktavianus Augustus ein. Er hatte geglaubt, dass dieser ihm wohlgesinnt sei. Dabei hatte sich der arglistige Emporkömmling Augustus kurzfristig mit Ciceros Intimfeind Antonius verbündet. Cicero konnte ein weiteres Mal aus der Stadt fliehen, wurde aber in der Nähe von Neapel von des neuen Kaisers Häschern aufgegriffen und enthauptet. So endete das Leben des berühmten Mannes, der für sein Volk nur das Beste gewollt hatte.

Von Cicero gibt Texte, die zu lesen es sich heute noch lohnt. Als Beispiel nenne ich ein Büchlein aus dem Artemis-Verlag mit dem Namen Cato major / Laelius. Das erste Essay handelt vom Alter, das zweite von der Freundschaft. Hier begegnet man dem grossen Denker, dessen Ideen von zeitloser Aktualität sind. Die teils heiteren, dann wieder ernsten Texte sprechen interessierte Leser noch heute unmittelbar an.

Von Ciceros Reden gibt es bei Artemis eine Gesamtausgabe in sieben Bänden.
Die Lektüre von Harris’ Roman hat mich von einer bis anhin starren Betrachtungsweise der römischen Geschichte in die Welt spannender römischer Abenteuergeschichten katapultiert.

Zum Autor: Der Brite Robert Harris * 1957, schrieb mehrere historische Romane. Im Jahre 2003 wurde er als bester Kolumnist mit dem britischen Press Award ausgezeichnet.