Buchhinweis im 
Juli
 
2013
 

Ein Sonntag auf dem Lande

Pierre Bost
Verlag Dörlemann

Wieder einmal ein Bändchen mit Leinenumschlag, weissem Druck auf grüner Leinen, aufgeklebt eine passende Foto eines Gemäldes, Innendeckel grün-weiss mit Blumenmuster. Ein gelber Lesebändel. Da muss man dem Verlag zuerst mal gratulieren! Es handelt sich um den den wunderbaren Verlag von Sabine Dörlemann in Zürich. Diese Frau entdeckt jedes Jahr zwei, drei tolle Autoren wie eben unseren Pierre Bost, und es gelingt der Verlegerin immer wieder, Bücher in neuem Gewand zugänglich zu machen oder Autoren zu entdecken.

Man kann sich schon fragen, warum manche Autoren einfach einmal im Literaturfluss verschwinden. Im heutigen Literaturbetrieb scheinen es ohnehin nur Bestsellerlisten zu zählen. Einige der Vergessenen würden es sehr wohl verdienen, wieder ans Licht geholt zu werden. Dafür muss gekämpft werden. (Ich finde es zum Beispiel völlig verfehlt, das schon in Lesebüchern der Volksschule wichtige Namen wie C.F. Meyer Gottfried Keller weder unter den Sparten Gedichte oder Erzählungen zu finden sind). Umso mehr schätzt man einen Dörlemann-Verlag.

Mit der Erzählung von Pierre Bost ist ein französischer Autor wiederentdeckt worden, der von 1901 bis 1975 hauptsächlich in Paris gelebt hat. Zwischen 1924 und 1945 veröffentlichte er mehr als ein Dutzend Romane. Er gehörte zu den damals bedeutendsten französischen Literaten. Nach dem Krieg war er hauptsächlich Drehbuchautor bekannter Filme. Das war sicher der Grund, dass  er als Romanschriftsteller langsam vergessen ging. Mit der Erzählung „Ein Sonntag auf dem Lande“ (der französische Titel: „Monsieur Ladmiral va bientôt mourir“) verabschiedete er sich 1945 aus der Literatur.

Nun liegt dieser kleine Roman in der oben beschriebenen schönen Ausstattung vor. Das ansprechende Äussere entspricht dem wunderbaren Geschichte, die hier erzählt wird. Sie wurde 1984 auch verfilmt. In Cannes erhielt der Film die Auszeichnung für die beste Regie.

Zum Inhalt:
Mit Monsieur Ladmiral steht eine Künstlerfigur im Mittelpunkt, die von sich sagt, es habe ihr an Mut gemangelt, und er habe halt nur so gemalt, wie er es damals von seinen Lehrern gelernt habe.

Seine Kinder heissen Conzague und Irene. Conzague kommt jeden Sonntag mit seiner Familie auf Besuch, Irene nur sporadisch. Aber wenn sie kommt, ist sie der Star, der alles durcheinander wirbelt. Der Vater scheint die Tochter lieber zu haben als den Sohn und seine Familie. Es geht unterschwellig immer um Rivalitäten und um Eifersucht. Der Roman ist aber  auch die Geschichte des einsamen, im Alter überforderten Vaters.

Er weiss um die Fragilität seines Alters. Aber trotzdem: er ist aktiv und nimmt am Leben seiner Kinder und Grosskinder regen Anteil.

Warum mir dieses Buch einen grossen Eindruck gemacht hat, und warum ich es grad nochmals lesen werde? Es ist eine von leichter Hand geschriebene Geschichte. Der von Humor und Melancholie gleichermassen durchwirkte Text spielt an einem einzigen Sonntag und erzählt von einem 76-jährigen Maler, der sich allmählich abhanden kommt. Melancholie und Humor sind sehr nahe beieinander. Es ist irgendwie berührend, zu sehen, wie der liebenswerte älter gewordene Monsieur Ladmiral versucht, sich durch seine Einsamkeiten zu schmuggeln. Dazu ist es eine Geschichte von der Einsamkeit im Alter, die heute wohl noch aktueller ist als zur Zeit ihrer Entstehung im Jahre 1945.

Und was nicht vergessen sein darf: die Übersetzung vom Französischen ins Deutsche ist grossartig. Rainer Moritz, der sie besorgt hat, ist Literaturkritiker und Autor und Leiter des Literaturhauses Hamburg. Eines seiner Bücher, nämlich „Die schönsten Buchhandlungen Europas“, 2010 erschienen, werde ich mir umgehend posten.