Buchhinweis im 
August
 
2013
 

Jeder stirbt für sich allein

Hans Fallada
Aufbau-Verlag

Wie konnte das geschehen? So fragt man sich und wird sich immer wieder fragen, nämlich der Terror des Naziregimes in Deutschland. Am Beispiel weniger Figuren im damaligen Berlin spinnt Hans Fallada ein Netz um den beklemmend wahren, menschenverachtenden Koloss des Regimes, in dem nur der unbedingte Gehorsam gegenüber dem Führer und der Partei existierte. Die Geschichte, die Hans Fallada im Jahre 1946 niedergeschrieben hat, passierte in den Jahren 1942/43. Sie basiert auf wahren Geschehnissen, von denen er Kenntnis hatte.

Ein Arbeiter-Ehepaar versuchte, nachdem ihr einziger Sohn im Krieg gefallen war, gegen das Unrechtsregime Hitlers etwas zu unternehmen. Es schrieb auf Karten Sprüche und Sätze, die das Regime treffen sollten. Die von Hand und mit verstellter Schrift geschriebenen Karten wurden heimlich an Orten, wo viele Leute vorbei kamen, abgelegt. Ganz am Ende des 700 Seiten umfassenden Buches wurden Otto und Anna Quangel, so der Name des Ehepaares, deswegen als Hochverräter hingerichtet.

Im oben genanten Netz spielen die Bewohner des Mehrfamilienblocks, in dem das Ehepaar Quangel lebt, die Rollen für Menschen, die damals für Verrat, für Ausspioniererei und Verdächtigungen zu haben waren. Es gibt aber auch die andern, die für das Miteinander in den schweren Stunden der Kriegsjahre in der deutschen Hauptstadt stehen.

Im Vorwort schreibt der Verfasser:
„Mancher Leser wird finden, dass in diesem Buche reichlich viel gequält und gestorben wird. Etwa ein gutes Drittel dieses Buches spielt in Gefängnissen und Irrenhäusern, und auch in ihnen war das Serben sehr im Schwange. Es hat dem Verfasser oft auch nicht gefallen, ein so düsteres Gemälde zu entwerfen, aber mehr Helligkeit hätte Lüge bedeutet.“

Hans Fallada ist ein Erzähler, der direkten und naturalistischen Art. Da ist die niederdrückende Weise der Darstellung für Grausamkeiten bei Gerichtsverhandlungen, für Taten der Polizei und der Geheimen Staatspolizei Gestapo und für Gefängnispersonal bei der Verhöhnung von Menschenrechten. Viele irre Typen, die dem Führer blind ergeben waren, hatten einzig ihre Karriere vor Augen und waren bereit, ihrem Aufstieg alles unterzuordnen. Hans Fallada Roman rüttelt noch heute auf. Fast schämt man sich bei der Frage, wer alles denn diese Deutschen gewesen sind, die das Kriegsgrauen mit angeschaut oder oder gar gebilligt haben.

Und die Rolle der Kirchen von damals? Leere Worte und Versprechungen der Gefängnisseelsorger für  die Gefangenen, die auf die Vollstreckung des Todesurteils gewartet haben, wirken wie Hohn. Auch Militärbischöfe standen im Dienst des verbrecherischen Hitlerregimes (Originalzitat):
„Möge Euch allen, ihr tapferen Soldaten, ein ein starkmütiges und entschlossenes Herz in der Brust schlagen, wenn euch der Führer und oberste Befehlshaber zu neuen Aufgaben ruft. Möge euch der Aufblick zu Christus helfen, sehend und hellhörig zu werden in den  gegenwärtigen und kommenden Stürmen.“

Die Frage, ob Falladas Roman denn noch aktuell ist, muss man sich nicht stellen. Die heutige Neuauflage des Romans, der unmittelbar nach dem Krieg geschrieben worden ist, wurde ein sensationeller Erfolg. Er zeigt die eindrücklich berührende Darstellung des Widerstandes einfacher Leute auch nach 60 Jahren seit seiner Entstehung.

Hans Fallada habe ich schon in meinen jungen Jahren gelesen. Unvergesslich sind mir seine Erzählungen "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst"und "Kleiner Mann, was nun?"

Hans Fallada wurde im Jahre 1893 in Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Sein Pseudonym legte er sich nach der Veröffentlichung seiner ersten Erzählung im Jahre 1920 zu. Er hatte bis zum Tod 1947 mit seinem Drogenproblem zu kämpfen. Er lebte immer in Ostdeutschland.