Buchhinweis im 
Dezember
 
2008
 

Lieber leben als schreiben. Ein Lesebuch.

Heinrich Federer 1866 – 1928
sowie "Auf den Spuren des Franz von Assisi"
Orell Füssli 2008 / Paulus-Verlag 2004

Heinrich Federer ist als Dichter zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Sicher ist ihm der Umstand, dass er katholischer Priester war, etwas im Weg gestanden. Dann war da noch der Vorwurf, er habe in der Jugendarbeit pädophile Neigungen gezeigt. Es ist auch so, dass er von den Katholischen als „ihr“ Schriftsteller vereinnahmt worden ist. Trotzdem, die ehemalige Schweizer Volksbuchgemeinde SVB und der Rex-Verlag dürfen noch heute für ihre Federer-Ausgabe gelobt werden.

Als Italien-Liebhaber bewundere ich seine „Umbrischen Reisegeschichten“, ein wahres Schatzkästlein, voll köstlichen Inhalts.

Dem Nidwaldner Dichter verdanke ich für das Verständnis Italiens sehr viel: Ich wüsste von der Landschaft und vom Heiligen von Assisi viel weniger. Wie er alles in so frischer und unkomplizierter Weise zu erzählen weiss, ist fabelhaft, seine Naturschilderungen sind treffend und anschaulich. Heinrich Federer ist ein wahrer Dichter und Fabulierer; nie ist er um treffende Adjektive oder Adverbien verlegen. Immer weiss er von Stimmungen, Farben, Gerüchen, Gefühlen etwas Gültiges zu sagen. Nicht, dass seine Sprache aus Stein gemeisselt wäre. Sie ist deshalb nicht starr, sondern ist voll Geist, Atem, Leben. Federers Erzählkunst steht weit über Vielem, was wir heute zum Teil an erzählender Literatur vorgesetzt bekommen.

Wenn Federer von Menschen schreibt, tut er es mit verstehender Liebe und mit Einsicht in das Einmalige jeden Individuums. Er stellt uns die Menschen mit allen ihren Tugenden und Schwächen, mit ihren Vorzügen und Nachteilen, mit ihrem Hang zum Guten wie zum Bösen vor.

Federer ist mitteilungsfreudig. Ich stelle mir vor, dass er auf seinen Wanderungen in Umbrien viel aufgenommen, ja geradezu in sich aufgesogen hat. Sein Dichterherz mag so am Überlaufen gewesen sein, dass er sich weiter verschenken wollte. Anders ist der grosse Fundus an Erzählungen nicht zu erklären.

Sind Landschaften, Städte und Dörfer heute anders als zur Zeit Federers, so sind doch die ewig gültigen Werte von Mensch und Landschaft meisterhaft, sprachlich und künstlerisch in einmaliger Weise eingefangen.

Viele von Federers Büchern sind im Buchhandel leider nicht mehr verfügbar. Antiquarisch können sie sicher noch da und dort aufgetrieben werden. Immerhin sind die eingangs erwähnten Sammlungen bei Orell Füssli und im Freiburger Paulus-Verlag neu.