Buchhinweis im 
April
 
2015
 

Über das Wetter reden.

Peter Bichsel
Kolumnen 2012 bis 2015
Suhrkamp

Es sei sein letztes Kolumnenbuch. So Bichsel selber. Schade! Für Bichsel-Texte bin ich jederzeit zu haben, stundenlang. Er ist ein durchaus ehrlicher Schriftsteller und Mensch, der noch nie das Bedürfnis gehabt hat, jemandem etwas vorzumachen. Er sagt gradeheraus, was er denkt. Oder gedacht hat. Die Vergangenheitsform im letzten Satzes ist wichtig. Erst denken, nachher in einer Sprache sprechen oder schreiben, die jeder versteht.

Bichsel ist der Mann der Sprache schlechthin. Nicht einer Sprache, die hohen stilistischen Kriterien genügen will. Er ist der Anwalt einer Sprache, die zum Erzählen da ist, zum Austauschen. Sprache kann für Bichsel auch der Austausch mit einem Italiener sein, mit dem er über Fussball spricht, aber von der italienischen Sprache keine Ahnung hat. Und trotzdem verstehen es die beiden bestens, miteinander über Fussball zu reden.

Ich bewundere Bichsels Gabe, über alles zu schreiben, sei es über den Brieföffner, der ihn schon sein Leben lang begleitet, aber immer wieder für längere Zeit verschwindet und unauffindbar ist. Oder über das Kochen. Bichsel kocht jeden Tag und spricht nicht gern darüber, weil es für ihn etwas Intimes ist. Seine Mutter, wie jede Mutter die beste Köchin, kochte auch, ohne darüber zu sprechen. Bichsel kocht nicht nach Kochbuch; er kocht Fleisch, Fisch oder Gemüse einfach mit etwas Fett, mit Pfeffer, Salz, Wasser und Wärme. Dabei aber kann er aber einen ganzen Tag darüber sinnieren, wie etwas zu verfeinern, zu würzen oder zu verlängern wäre.

Es gelingen Bichsel immer wieder treffende Aussagen über das, was wahr ist; deshalb kämpft er gegen alles, was gestelzt oder gescheit daherkommt, im Grunde aber nur Schein und Trug ist. Das mit der „guten Gesundheit“ zum Beispiel, die doch die wichtigste Sache auf der Welt sei. Bichsel meint, dass auch die Kranken leben und wie viele von ihnen uns zeigen, wie schön und lebenswert das Leben ist.

Über das Wetter reden hat dem Bändchen den Namen gegeben. Das Reden über das Wetter kann Anlass zum miteinander Sprechen werden. Der Inhalt ist heute weniger wichtig; auch früher schon, wenn es darum ging, zur richtigen Zeit zu pflanzen, zu ernten oder sich samt Haus und Habe gegen Unwetter zu schützen.

Peter Bichsel gefällt mir vor allem deshalb, wie er sich nie hat vereinnahmen lassen. Auch literarisch nicht. Er ist immer sich selber geblieben, und, wie er einmal geschrieben hat, „alles von mir selber gelernt“.

Er hatte es nicht immer leicht in seiner Stadt Solothurn. In der Dankesrede zur Verleihung des Solothurner Literaturpreises sagte er: „Ich war ja nicht der einzige hier, der eine Schriftsteller sein wollte und war nach meinen  ersten Erfolgen dem Spott ausgesetzt. Und die anderen unterrichteten mitunter als Professoren an der Kantonsschule und waren durchaus auf dem Wege, ein Thomas Mann oder ein Salvador de Madariaga zu werden, also auf anderen und höheren Wegen als ich. Und selbstverständlich gab es da auch immer die Ausnahmen, und an die habe ich mich gehalten.

Wären die Spötter nicht gewesen, ich hätte mich von ihnen und vielen anderen wohl auf- und einnehmen lassen. Ich bin dankbar für ihren Spott. Ich habe hier gelebt wie in einer Grossstadt, wo man eben nicht dazu gehört, und ich habe mein Solothurn hier, im Gewöhnlichen gefunden, und ich habe mich darin wohl gefühlt.“

Hoffen wir, von Peter Bichsel noch weiterhin – auch ohne Kolumnen in der Schweizer Illustrierten – zu hören.