Buchhinweis im 
November
 
2013
 

Winzer und Weine im Aargau

Stephan Tomas (Text)/Hans-Peter Siffert (Fotos)
AT Verlag

Dem Tramfahrer in Zürich kann es passieren, dass die Tramführerin eine Aargauer Winzerin ist: Nicole Robatel oder Romina Wieser.
Die zwei Frauen sind auf Bauernhöfen aufgewachsen, und später hat es sie als Tramführerinnen zu den Zürcher Verkehrsbetrieben verschlagen. Bei beiden reifte der Entschluss, „zu den landwirtschaftlichen Wurzeln zurückzukehren“. Die eine der Damen war für Mutterkuhhaltung, die andere für Rebbau. Beide Varianten wurden studiert, und da man beim Rebbau nicht mit lebenden Tieren zum Metzger muss, entschieden sie sich, auf  die Suche nach geeigneten Rebflächen zu gehen. Romina und Nicole wurden im Aargau fündig und bewirtschaften heute - neben einem Teilzeitpensum als Tramführerinnen in Zürich - ihr Weingut Ni&Ro in Wil und Elfingen.

Damit alles mit der Natur in Einklang ist, wird nach biodynamischen Grundsätzen gearbeitet; man geht nach dem Kalender und beachtet die Mondphasen. Bei Degusationen dürfen Nicole und Romina deshalb immer wieder das Kompliment hören: „Das ist mehr als ein Müller-Thurgau, das ist ein Seelenwein!“

Schön, oder nicht? Das Buch von den Winzern und Weinen im Aargau enthält spannende Biographien von Oenologen und gestandenen Praktikern, aber auch von Quereinsteigern, wie den beiden Frauen aus Wil. Im Mittelpunkt der Berufsbilder stehen Menschen oder Familien, deren Herzensangelegenheit der Rebbau ist. Überall wurde und wird versucht, mit Fleiss und Sachverstand aus dem Boden, aus der Rebe, aus der Traube, aus dem Fass und aus der Flasche das Beste hervorzuzaubern. So blüht im Aargau eine Rebbaukultur, die sich gesamtschweizerisch sehen und feiern lassen darf.

Der AT-Verlag bringt seit vielen Jahren schöne Bücher von bibliophilem Wert  heraus. Das Buch von den Aargauer Winzern und Weinen steht in dieser Reihe und prunkt mit wunderbaren Farb-Fotographien von Aargauer Landschaften, Dörfern und Rebhängen zu jeder Jahreszeit, dazu mit Schwarz-Weiss-Aufnahmen von den Rebbauleuten. Eingestreut sind Kleinbilder von Bauernhoftieren, Bauernhäusern, Bioläden, Landmaschinen, Rebhäuschen, Schlössern, Gewässern. Kurz: Das Buch ist ein Bijou, das eine wunderbare Welt erschliesst. Ergänzend enthält es fotographische Ausblicke in Aargauer Landschaften, wo neben grünen Wiesen und Wäldern auch Industrie, Strasse und Schiene Platz haben.

Das Buch versammelt Bilder und Texte von und über die diverse Winzer im Gebiet um Aarau und dem Schenkenbergertal, dem Fricktal, der Region Geissberg, dem unteren Aaretal, dem Limmattal, dem Reuss- und Seetal. Den Anfang macht ein Blick in die Geschichte des Aargauer Weinbaus und des Weinkonsums von früher und heute. Mit einigem Erstaunen nimmt man zur Kenntnis, dass früher beträchtliche Mengen an Wein getrunken wurden, und dass sogar der Jugend das Weintrinken keineswegs fremd war. Ein Dokument über die Schulreise einer Klasse von Rütihof nach Baden und Wettingen im Jahr 1873 lässt errechnen, dass bei Zwischenhalten in den Wirtschaften auf der Baldegg und in Oberrrohrdorf ein Schüler zu einem Stück Brot einen halber Liter Wein konsumiert haben muss.

Beim Lesen, aber auch nur beim Durchblättern dieses Buches wird einem bewusst, auf welch hohem Niveau und mit welcher Sorgfalt im Aargau Wein gemacht wird. Der Schreibende weiss auf Grund vieler Verkostungen, dass auf den Rebflächen  des  Aargaus jedes Jahr Gutes gedeiht.

Schade nur, dass es immer noch zu viele Leute gibt, die den so genannten Landwein ganz automatisch als zweitrangig behandeln. Aber die haben ja keine Ahnung!