Gedanken zur Zeit im 
Juli
 
2011
 

Alles ein bisschen anders

Da habe ich mich doch auf eine schöne Fronleichnamsprozession gefreut in diesem katholischen Land. Neben einem religiösen auch aus kulturellem und folkloristischem Interesse. Aber nichts, kirchliche Feiertage gibt’s unter der Woche keine mehr in diesem Land. Weder Karfreitag, Fronleichnam, Mariae Himmelfahrt, noch Allerheiligen. Schon gar keine Kirchenpatronats-Feste mehr. Alles ist so genannten wirtschaftlichen Notwendigkeiten zum Opfer gefallen. Die Feste mögen in Kirchen von alten Leuten noch begangen werden; sonst aber ist überall normaler Werktag.
Und das ist Italien!

Nun, ich kam am Sonntag darauf doch noch zu meiner Fronleichnamsprozession. Viele Leute nahmen aktiv daran teil, und viele waren auch gekommen, um zu filmen und zu fotografieren. Ich war beeindruckt von den schönen Kleidern, Trachten und Uniformen, die da getragen worden sind. Auch eine riesige Christusstatue, auf einer Trage von vier Männern geschultert, voran Kreuz und Fahne zu den Klängen der Dorfmusik. Parademärsche, jedes Jahr dieselben wohl, aber schön, feierlich. Und der Priester mit der goldenen Monstranz schreitet unterm Baldachin. Strassen, Fenster, Nischen mit wunderschönen Blumen geschmückt. Schliesslich ist hier die „costa dei fiori“!

Karfreitag sei eine gewöhnlicher Werktag gewesen, und an Ostern hätten die Läden allgemein offen gehabt, erzählt man mir; dafür aber sei am Ostermontag alles geschlossen gewesen.
Und das ist Italien!

Auch das Folgende kann passieren:
Eine Familie will einen Ausflug nach Nizza machen und hat beschlossen, dies mit Bus und Bahn zu tun. Sie steht an der Haltestelle, bis sie von jemandem, der es halbwegs weiss, den Hinweis bekommt: „Sciopero“, Streik der Busfahrer. Was bleibt? Schnell mit dem Auto zum Bahnhof, um in Ventimiglia noch knapp den Zug zu erreichen. So weit, so gut.

Am Abend fährt der französische Zug nicht in italienisches Territorium zurück. In Menton ist fertig. Unterdessen streiken in Italien auch die Bähnler. Auf die Frage an einen französischen Beamten, ob es denn vielleicht von Menton nach Ventimiglia einen Ersatzbus gäbe, kommt wenig freundlich die Antwort, was man denn meine, ob sie, die Franzosen für die da drüben noch einen Bus einrichten müssen. Richtig gelesen: „für die da drüben“, und nicht etwa für die Passagiere.
Italien und Frankreich, gemeinsam in der EU.

Im Dorf gilt eine neue strikte Regelung in Bezug auf die Trennung der Abfälle. Die Container seien markiert: Papier zu Papier, Glas zu Glas, Metall zu Metall, Haushaltabfälle zu Haushaltabfällen. Wenn dann alles wieder mal überquillt, kommen die Abfuhrmänner, und der Inhalt aller Container landet im gleichen Abfuhr-Camion.
Auch das ist Italien!

An einigen wenigen Stellen an der Busstrecke hat es Haltebuchten für den Bus; deutlich und gross markiert. Ich sitze im Bus und bin gespannt, wie der Chauffeur angesichts der zwei Automobilsten, die dort mit ihren Autos die Bucht besetzt halten und miteinander diskutieren, wohl reagieren wird. „Ciao“! Und ein paar freundliche Worte. Alle sind sie amici. Der Bus hält auf der Strasse. Freundliches Winken, wenn er weiterfährt.
Ich stelle mir vor, wie das in der Schweiz abgelaufen wäre.
Auch das ist Italien!

Italien war eines der ersten Länder mit absolutem Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen. „Wollen dann sehen“, war die damalige die Reaktion der Schweizer.
Aber es hat geklappt. Und klappt noch heute, ausnahmslos und überall. Geraucht wird nur in privaten Räumen oder draussen im Freien.
Auch das ist Italien!

Kein Räumchen, kein Loch, kein Plätzchen und keine Ecke zu klein, um daraus nicht etwas zu machen. Zum Beispiel ein Beizli, wo ich beste Paninis, feine Weine und Kaffee in allen Variationen bekomme. Freundliche Bedienung, und zu allen Getränken wie Bier, Wein, Wasser etc. immer zwei, drei Schnäppchen. Und alles zu reellen Preisen. Ich staune. Auffallend viele zufriedene Leute, die dich nächstes Mal wieder kennen.
Ich bin gerne unter ihnen.
Auch das ist Italien!

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