Gedanken zur Zeit im 
Juni
 
2008
 

Danke für ein Geschenk

Neulich an einem Samstagabend in der schönen Dorfkirche von Tägerig erlebt:

Es fand der Gedächtnisgottesdienst für meinen verstorbenen Bruder Ernst statt. Was ich dort musikalisch erleben durfte, war ein reines Geschenk. Die Dirigentin Elisabeth Fischer von Wohlenschwil sang mit ihrem Jugendchor ein paar Lieder innerhalb der Feier, der Pfarrer Schärli aus Mellingen vorstand. Das war lupenreiner Gesang von 12 Mädchen verschiedenen Alters aus den Dörfern Wohlenschwil und Mägenwil vorgetragen. Rein vom Anfang bis zum Ende, ohne intonatorische Trübung und mit vorbildlicher Sprachtechnik. Ich wurde an Karl Grenacher erinnert, den langjährigen Musikpädagogen und Lehrerbildner am Seminar Wettingen, der immer die gekonnte Sprechweise als Grundlage allen Singens gefordert und beim Chorsingen meisterhaft umgesetzt hat.

Frau Elisabeth Fischer (Instrumentallehrerin an aargauischen Mittelschulen) hat es nicht nötig, auf Show zu machen. Die Lieder waren allesamt in deutscher Sprache und traditionellen Zuschnitts. Sie findet man wohl noch in Gesangbüchern, die im Moment nicht so sehr in Gebrauch sind; so denke ich es mir. Kein Englisch, keine übersetzten Rhythmen aus irgend einer Weltgegend, keine Gags und nichts Aufgesetztes oder Unwahres. Einfach saubere, gute Melodieführung, gekonnte Tongebung, dynamisch einfühlsam und lyrisch gestaltetes Musizieren. Die Dirigierweise der Leiterin beschränkt sich auf das Wesentliche, ohne Effekthascherei.

Diese Musik war das Geschenk, das ich unverhofft in dieser Kirche und in der Gedächtnismesse für meinen Bruder habe entgegennehmen dürfen. Ich bin dankbar, das gehört zu haben; ich weiss jetzt, dass ein Musizieren in dieser Qualität noch existiert und gepflegt wird. Wenn auch nur noch an wenigen Orten; sicher nicht mehr in den meisten Schulklassen unseres Landes.

Das Lieder-Singen wird nicht mehr häufig gepflegt. Ein Kulturverlust ohne Beispiel! Leider merkt das niemand. Musik-Lehrpläne sind übervoll von Vorschlägen, wie im Fach Musik tausend Dinge lustbetont gemacht werden können. Vom schönen Singen – einfach so – steht wohl wenig; das müsste im ganzen Land ja zu hören sein!

Die Forderung nach dem obligatorischen Erlernen der Landeshymne an den Schulen in unserer EM-geschwängerten Gegenwart ist nichts Anderes als ein Schuss in den Ofen. Den Gründen für den genannten Kulturverlust nachzugehen, müsste aber ein dringliches Anliegen sein.