Gedanken zur Zeit im 
November
 
2009
 

Mein Metzger

Ich sehe es ihm an, dass er Freude hat, wenn ich in seinen Laden trete. Wir kennen einander schon lange. Ganz früher einmal war er für kurze Zeit mein Schüler gewesen, als er, vom Nachbardorf stammend, in unsere Schule wechselte. Gute Beziehungen zu ehemaligen Schülern freuen einen alten Lehrer immer.

Was er aus dem Geschäft mit der Metzgerei und dem Lebensmittelladen im Laufe der Jahre gemacht hat, ist beeindruckend. Dahinter steckt eine riesige Menge Arbeit, Durchhaltewillen und Glaube an die Zukunft. Die Heirat mit seiner Frau war ein Glücksfall; auch sie packt tatkräftig im Geschäft an.

Ich bestaune gerne die wunderschönen Auslagen von Fleisch in allen Varianten, von gekonnter Meisterarbeit bei den selber verfertigten Produkten. Wie sauber und einladend alles präsentiert ist. Auch Fische und Meeresfrüchte sind da. Einfach wunderbar. Ich darf meinen Metzger immer um Rat fragen, wie ich dies und jenes zubereiten und kochen soll. Er gibt mir Tipps für Varianten, die auch noch denkbar wären. Gespräche gibt es immer; wenn ich den Laden verlasse, freue ich mich, zu Hause alles so zuzubereiten, wie es mir mein Metzger empfohlen hat.

In seinem Laden kann ich übrigens alles Weitere einkaufen: Gemüse, Brot, Milch, Käse, Tiefkühlprodukte, Konserven und alles, was ich für meinen Einpersonen-Haushalt brauche. Was mir gefällt, ist die Überschaubarkeit der Auswahl. Nicht wie im Grossladen, wo ich vor lauter tausend Dingen nicht weiss, was ich nun kaufen soll. Alles, was ich brauche, ist da. An der Kasse werde ich freundlich verabschiedet. Einen solchen Laden lobe ich mir. Ich frage mich nicht, ob ich hier etwas teurer einkaufe als beim Grossverteiler oder im Tankstellenshop. Interessiert mich nicht. Ich bin zufrieden, wenn ich beraten, gut bedient und freundlich behandelt worden bin. Das gute Gefühl, keine anonyme Nummer zu sein, ist mir alles wert.

Alles in Allem hat es ein Metzger wie der meine heute nicht einfach. Viele Leute kaufen bei den Grossverteilern (welch geschwollenes Wort!) ein. Für alles, was dann noch fehlt, soll oft der kleine als Lückenbüsser herhalten. Hinzu kommt das völlig andere Essverhalten der heutigen Generation. Anders, als es noch vor zwei oder drei Jahrzehnten üblich war: Die Mutter kaufte einen Sonntagsbraten. Nach dem Kirchenbesuch wurde der im Kreise der ganzen Familie – vornehmlich zu Kartoffelstock mit Sauce und Gemüse - verkostet. Die Mutter hatte vorsorglicherweise die Frühmesse besucht, damit alles bereit war, wenn sich die Familie zu Tische setzte.

Heute ist das Langschläfertum der jüngeren Generation an Sonntagmorgen die Regel. Die Jungen kommen nicht mehr zum Mittagessen und schlafen bis in den Nachmittag hinein. Wenn sie Hunger haben, gehen sie hinter den Kühlschrank und suchen sich ihre Mahlzeit selber zusammen. Allenfalls genügt eine kurze Autofahrt zum Shop, der auch an Sonntagen offen hat, um sich das zu kaufen, wonach einem gelüstet. So ist die „Sonntagsbratenfamilie“ langsam verschwunden. Tempora mutantur - et homines in eis; das kann man schon so sagen: Die Zeiten ändern sich – und die Menschen (und die Essensgewohnheiten) mit ihnen.

Aber auch in unserer Zeit ist ein Metzger wie der meine, Gold wert. Ich finde bei ihm nicht nur Esswaren, sondern auch die Einladung zu gesunder und froh machender Esskultur.