Gedanken zur Zeit im 
März
 
2010
 

Missstände – nur in der Kirche?

Es gehört zum Wesen des Katholizismus, dass er nicht allen gesellschaftlichen und politischen Modeströmungen hinterher läuft. Dass Papst Bendedikt XVI. wegen seiner eher bewahrenden Art der Leitung seiner Weltkirche schon lange der Stein des Anstosses ist, macht ihn angreifbar. Oft bekommt man das Gefühl, es werde von ihm verlangt, dass er sich für seinen Leitungsstil zu entschuldigen hätte. Eigentlich aber müsste man sich bei einem Mann wie Benedikt dafür bedanken, dass er sich konsequent einem schlechten Zeitgeist verweigert und so zu einer Vielfalt der Lebensentwürfe beiträgt.

So sieht es der Chefredaktor der Weltwoche, Roger Köppel. Ich pflichte ihm voll bei. Ich bin auch mit Bischof Kurt Koch der Meinung, die gegenwärtig gepflegte Art der Diskussion um sexuelle Übergriffe von Kirchenmännern und die Versuche der Vertuschung und Verheimlichung hätten noch andere Gründe als die des Schutzes der Kinder vor Missbräuchen von Seiten der Kirche.

Es ist nicht meine Absicht, bei den gegenwärtig bis zum Überdruss geführten Diskussionen mitzumachen. Ich möchte schlicht in Erinnerung rufen, dass es viele Kirchenleute gibt und gegeben hat, die auf dem Gebiet der Erziehung und der Bildung von Kindern und Jugendlichen Grosses leisten und geleistet haben. Zu meiner Zeit in einer aargauischen Mittelschule war es Mode, auf etwas überhebliche Art auf katholische Mittelschulen hinunter zu blicken. Wie unberechtigt das war, merkte ich erst, als ich später mit Absolventen von Klosterschulen in Kontakt kam. Viele von ihnen hatten in ihren Lehrern Freunde für’s Leben gefunden; Internate trugen viel zur Reifung und Gemeinschaftsbildung bei.

Von einer schönen Zahl von Lehrern an damaligen Aargauer Mittelschulen lässt sich nur Gutes berichten. Nicht vergessen gehen dürfen aber faule Eier und eingebildete Gockel, die es als Dozenten auch an der Staatsschule gegeben hat. Ob es solche noch heute gibt, kann ich nicht beurteilen.

Wenn jetzt die Art und Weise, wie Priesteramtskandidaten auf den Umgang mit Sexualität vorbereitet wurden, getadelt wird, muss gerechterweise auch davon gesprochen werden, wie damals künftige Lehrer – wohlgemerkt im Alter von erst 20 Jahren – mit null (!) sexualkundlicher Vorbereitung auf Schulklassen losgelassen worden sind. Im zarten Jungendalter von 20 Jahren hatte ich 47 Schüler von der 5. bis zur 8. Klasse zu unterrichten.

So relativiert sich der Allein-Vorwurf an kirchliche Institutionen im Vergleich mit dem, was ich erlebt habe, schon einigermassen. Die paar Hygiene-Unterrichtsstunden, gehalten von einem mehr oder weniger witzigen Dorfarzt, waren nämlich auch grad alles gewesen, was ich als Berufsvorbereitung mitbekommen hatte.

Nun, das ist Schnee von gestern, und ich schreibe es nur, weil es mich drängt, den Vergleich zwischen hüben und drüben, zwischen den Zuständen in der Lehrerbildung und in der Priesteramtsausbildung herzustellen..

In der Zölibatsfrage sieht man selbst kirchliche Amtsträger wie Schilfrohre reihenweise einknicken. Da staunt man schon ein wenig. Der Zölibat war doch schon eh und je freiwillig. Niemand war gezwungen, ein zölibatärer Kirchenmann zu werden. Alle, die es heute sind, taten den Schritt aus freiem Willen und sagten einmal JA zu ihrer Berufung.

Zu denken gibt mir die gang und gäbe gewordene Verknüpfung von Pädophilie und Zölibat.

Kommt es allenfalls noch so weit, dass jeder unverheiratete Mann pädophilieverdächtig ist? In unserer sexualisierten Gesellschaft scheint man nicht mehr weit davon entfernt zu sein, dass Ledige erklären müssen, warum und wieso, und wie dann, wenn....

Wo sind wir, wo?