Gedanken zur Zeit im 
Oktober
 
2009
 

Mundart sprechen – aber wie schreiben?

Nun ist die Mundartwelle auch in meiner Tageszeitung angekommen. Zum Weinen ist’s. Und dies nicht nur auf der Seite mit den SMS. Nein, unter dem Mantel der Mundartpflege wird fröhlich Heimatschutz betrieben. Alte Wörter werden hervorgeholt, die niemand mehr braucht als etwa eben diejenigen welche zeigen wollen, dass sie noch Heimatboden-Haftung haben. Ist mir eigentlich wurst, sollen sie das haben.

Fröhlich ins selbe Horn stossen einige selbsternannte Mundartexperten; sie freuen sich aufrichtig an der neuen Welle. Wenn sie aber verkünden, die geschriebene Mundart kenne keine Regeln, man könne so schreiben, wie man gerade wolle (wie in den SMS), so tut Einspruch not.

Wenn nicht unterschieden wird zwischen offenen und geschlossenen Vokalen, dann bricht das Mundart-Chaos aus. Wir befinden uns offensichtlich mitten drinn. Wenn ein Ross uf em Ross (ein Russe auf einem Ross) so geschrieben steht, müsste der so genannte Mundartexperte aufmerksam werden und sich fragen, was denn hier nicht stimmt. Was ist, wenn auf dem Hallwilersee es Scheff schwemmt (statt ein Schiff schwimmt) und wenn man beim Bäcker es Stöckli kauft und in einem anderen Laden es Zigerstöckli, wenn Bier vo de Mönche z Mönche (statt Bier der Mönche in München) getrunken wird und wenn in einer Theateraufführung Retter zum Schloss (Ritter zum Schluss) auftreten? Alles Beispiele dafür, dass man bei der Schreibung der Mundart mit geschlossenen Vokalen besser näher bei der Schreibweise im Hochdeutschen bliebe.

Was kann man gegen so viel Verwirrung machen? Wahrscheinlich nicht viel. Einen ehemaligen Bez.-Lehrer, dessen Vater Freiämter Dichter war und viele Geschichten und Gedichte in Mundart verfasst hat, bat ich kürzlich, doch mal einen Volkshochschulkurs zu veranstalten mit dem Thema „Wie schreibe ich Mundart?“

Mal sehen, was draus wird. Wenn’s auch allgemein nicht viel nützen täte, ein Zeichen gegen die Willkür in der Mundartschreibung wär’s allemal. Und SMSler und potentielle Gedichte- und Schnitzelbankschreiber würden sich eventuell fragen, wie sich das mit den offenen und geschlossenen Vokalen, auch in der Mundart, verhält.

Vielleicht müsste man sich in Schulen und Lesekreisen gute Mundartliteratur vornehmen und bei Poeten wie Paul Haller, Sophie Hämmerli, Josef Villiger oder Robert Stäger nachschlagen, wie und warum sie dies und jenes so geschrieben haben. Ganz aktuell und neu ist das wunderbare Werk von Heinz Gallmann, das diesen Herbst im NZZ-Verlag erschienen ist: „Zürichdeutsches Wörterbuch“. Wer drin nur schon eine halbe Stunde lang blättert und schmöckert, hat zum Thema bereits viel gelernt. Garantiert