Gedanken zur Zeit im 
September
 
2016
 

ÖV-Reise mit Hindernissen

Ja, so ist es eben heute mit dem reisen. Es geht alles Schlag auf Schlag; der Taktfahrplan bringt bequeme Verbindungen und effiziente Reisezeiten. Das schätze ich sehr.

Es kann aber auch anders kommen. Verpasst man für eine Auslandreise einen Zug, dann sind die Anschlüsse und die Reservationen im Eimer. So ist es mir mit meiner letzten Italienreise ergangen. Mein Ziel war Dolceacqua; dort hatte ich um 17.00 Uhr eine Abmachung. Also machte ich mich hinter das Fahrplanstudium; das besagte mir, dass ich hier an meinem Wohnort den ersten Bus kurz nach morgens 5 Uhr nehmen muss, um zur vorgesehenen Zeit am bestimmten Ort einzutreffen.

Also, los ging es am Morgen früh mit dem Bus. Einiges Erstaunen, wie viele Leute um diese Zeit schon zu ihrer Arbeit unterwegs sind, Umsteigen in Wohlen, Lenzburg und Aarau. Von da an hätte es dann zügig weitergehen sollen über Bern – Domodossola – Mailand – Genova – Ventimiglia.

Kurz nach der Abfahrt in Aarau im Lautsprecher: „Dieser Zug fährt heute nur bis Olten“. Etwas später: „Dieser Zug hält in Olten an und fährt dann über Aarau – Brugg – Baden zurück nach Zürich. Bei einer späteren Durchsage vernahmen wir verwunderte oder verwirrte Passagiere den Grund für dieses Manöver: „Teilausfall der Anlagen im Bahnhof Bern“.

Verdammt, jetzt sind all die Reservationen von Wagons und Sitzplätzen futsch, mehr gültig. In Olten ein riesiges Chaos; alles musste aussteigen und einen anderen Zug besteigen. Bis der allerdings losfuhr, verging geraume Zeit; also kein Anschluss mehr in Bern. Hier das noch grössere Chaos. Durchsagen, während Züge ein- und ausfahren mit Bremsgeqietsche und viel Lärm. Niente capito.
Zum Glück gab es da einige Bähnler, die für Auskünfte bereitstanden; allerdings sagten die einen das, die anderen jenes. Ein Kondukteur, der eben in die BLS einsteigen wollte, verriet, dass auf Gleis sowieso ein Zug nach Brig bereitstehe; den suchte ich auf und setzte mich gleich bis Brig in den Speisewagen.

Hier war auf Gleis 1 ein Zug angezeigt, der nächstens mit dem Ziel Milano einfahren sollte. Also, einsteigen in einen bereits vollen Zug. Dann die Durchsage: „Diejenigen, die jetzt eingestiegen sind, werden gebeten, den Zug wieder zu verlassen, auf Gleis 4 wartet ein Sonderzug bis Milano“. Bravo, nun endlich soll etwas geschehen.

In Milano war mein Zug, der mich in etwas mehr als zwei Stunden ohne Umsteigen nach Ventimiglia gebracht hätte, natürlich weg. Nächste Verbindungen nach Ventimiglia wurden nicht angegeben, lediglich die bis Genua. Also, weiter, nach Genua.

Aussteigen und sich umsehen. Einen Zug nach Ventimiglia gibt es erst in zweieinhalb Stunden. Also warten und endlich Darm und Blase entleeren. Aber wo? Vor dem Bahnhof, der gerade in Renovation steht, gibt es WCs. Ein Blick in die Stinkhöhle ohne Sitzgegelegenheit stösst mich ab. In einem Café erhielt ich dann auf Anfrage einen Code zugeteilt, wo ich mein Geschäft endlich verrichten konnte.

Im Zug nach Ventimiglia hatte es wenigstens viel Platz. Das Meer glänzte in der untergehenden Abendsonne, eine wunderbar tröstliche Atmosphäre beim Reisen. Leute badeten im Meer, weit draussen riesige Kreuzfahrtschiffe. Etwas müde, schloss ich dann und wann auch die Augen und stellte mir vor, wie das dann in Ventimiglia und an meinem Zielort Dolceacqua sein werde.

Ich nahm ein Taxi. Der Fahrer erklärte mir, auf der normalen Strecke sei ein Unfall oder sonst etwas passiert, jedenfalls Stau; er fahre dem Meer entlang und nehme eine Abkürzung. Das entpuppte sich bald als Fehlentscheidung, denn wir standen eine geschlagene Stunde im Stau oder in einer langsamen Kolonne.

Nach acht Uhr abends traf ich müde in Dolceacqua ein. Was wäre, wenn ich mit dem PW gefahren wäre? Vielleicht auch irgend etwas, das mich hätte aufhalten können. Vielleicht hat alles so sein müssen, wer weiss.......