Gedanken zur Zeit im 
April
 
2008
 

Seidelbast und Poesie

Die letzte Monatsbetrachtung schloss mit Hesses Gedicht vom Seidelbast, der im Walde blüht. Kurz danach kam mir das Gedicht vom Seidelbast, der im Walde wiegt, von Silja Walter in die Hände. Dieses Gedicht ist irgendwie sanfter; es verzichtet auf Anschuldigungen; am Schluss wird nicht ein Brief zerrissen und in den See geworfen. Silja Walters Gedicht bleibt bei sich selber. Das Ich hört sich selber zu. Es weiss nicht, wie ihm geschehen ist und träumt, während der Seidelbast sich im Walde wiegt, einen tiefen, schweren Traum.

Der Seidelbast

Im Walde wiegt der Seidelbast
Sich leise her und hin.
Seitdem du mich vergessen hast,
vergess ich, dass ich bin.

Ich weiss nicht, was mir hängt im Har,
ob Schleh, ob gelber Schuh.
Ich singe scheu und sonderbar,
und hör mir selber zu.

Seitdem du mich vergessen hast,
träum ich so tief und schwer.
Im Walde wiegt der Seidelbast
Sich leise hin und her.

Sonderbar ergeht es mir in den letzten Jahren mit Gedichten überhaupt. Es kommen mir welche in den Sinn, die ich vor vielen Jahren in der Schule habe auswendig lernen müssen. Hinzu kommen viele, die ich mit Schülern gelesen und besprochen habe. Und manchen bin ich im Laufe der Jahre zufällig begegnet bin und habe sie lieb gewonnen. Poesie in Zeitschriften und Zeitungen hat mich schon immer neugierig gemacht. Nicht vergessen will ich die Poesiekarten des Noah-Verlages, von Bruno Dörig sorgfältig ediert, denen ich gute Einsichten verdanke. So habe ich jetzt selber begonnen, für meinen Kleinverlag Gedichte kalligraphisch zu gestalten und sie mit passenden Fotos zu ergänzen.

Mit einem Gedicht zu passender Zeit kommt man bei vielen Menschen bestimmt gut an. Ein handschriftlicher Gruss auf einer Gedichtkarte, als Alternative zu elektronischer Post, wäre doch die Idee! Zwar erhalte und schreibe auch ich gerne Mails und schätze verschiedene Formen der Kommunikation durchaus.

Gegenwärtig bin ich daran, alle Gedichte, die ich auswendig kann, zusammen zu stellen und sie, mit Kommentaren versehen, in meinem Kleinverlag heraus zu bringen. Viele vorzügliche Gedichtbetrachtungen habe ich mir vor Jahren aus dem ehemaligen Badener Tagblatt aufgehoben. Waren das doch noch Zeiten, als in den Samstagausgaben des BT ein Gedicht erschien, sachverständig kommentiert von einem Literaten! Meist waren das Lehrer an Aargauer Schulen.