Gedanken zur Zeit im 
Mai
 
2010
 

Was blüht denn da?

Im Alter hat man Zeit, darüber nachzudenken, was einem schon alles abhanden gekommen ist. Der Gedanke kam mir, als ich im vor Tagen an einem Waldrand entlang schlenderte und merkte, dass ich die Namen diverser Pflanzen und Sträucher nicht mehr präsent habe. Schlicht und einfach vergessen! Mein Vorsatz: In Zukunft wird im Rucksäcklein neben dem Fotoapparat, Notizbuch, Schreibzeug und Natel immer das Buch "Was blüht denn da?“ mitkommen.

Lebhaft sind die Erinnerungen an die Jugend, als ich ein begeisterter und einigermassen guter Pflanzenkenner war. Die Freude an der Natur hatte in mir unser Förster geweckt, mit dem ich überhaupt gute Gespräche über alles führen konnte. In der Oberstufe kamen dann die Pflanzen richtig „dran“. Es wurde ein Heft geführt, es wurden Zeichnungen von Pflanzen angefertigt, man durfte Bilder einkleben und gepresste Pflanzen. Ich war richtig stolz darauf, dass der Lehrer mich immer wieder beauftragte, von Plätzen, die er mir beschrieb, Pflanzen für die Besprechung in der Klasse mit zu bringen.

Im Seminar wurde es dann wissenschaftlich, und mir kam die Liebe zur Pflanzenkunde abhanden. Mit dem trockensten aller mir bekannten Bücher, dem „Binz“-Bestimmungsbuch musste ich auf den Namen einer unbekannten Pflanze – wenn möglich aus dem Park oder dem Seminargarten – bestimmen. Einkeimblättrige und Zweikeimblättrige – Monokotyledonen und Dikotyledonen – und viele neue Begriffe; das war Naturkunde. Nicht meine Sache, und die Zeugnisnoten passten nicht zu dem, was ich von der Natur eigentlich alles gewusst hätte. Für den Unterricht an meiner späteren Oberstufeschule war vom Seminarstoff nichts zu gebrauchen. Und so unterrichtete ich das Fach Naturkunde, wie es aus der Bezirksschule noch in Erinnerung hatte. Als interessiertem Vogelkenner, der ich damals auch war, ging’s mir im Seminar ebenso.

Also: schlechte Erinnerungen an die berufliche Ausbildungszeit auf dem Gebiet der damals noch so genannten Naturkunde. Gut, gab’s auch noch Besseres. Aber ich mag nicht einstimmen in den Lobgesang auf die frühere seminaristische Ausbildung, wie er immer wieder zu hören ist.

Was mir heute auffällt, ist Abnahme der Artenvielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt. Bestimmte Pflanzen und Vögel sind nicht mehr. Noch immer habe ich das „si-si-si-siiii“ der Goldammer in den Ohren, das mich auf dem Weg mit dem Brotkarren hinunter ins Gnadenthal begleitet hat, und den Kuckuck im Wald beim Brotvertragen nach Büschikon. Und so vieles mehr.

Aber ich will nicht klagen über das, was nicht mehr ist; vielmehr nehme ich mir vor, wie oben versprochen, Vieles von dem aufzufrischen, was noch da ist.