Gedanken zur Zeit im 
Oktober
 
2011
 

Normalzeit

Eigentlich hatte ich gehofft, ich müsste nach den eidgenössischen Wahlen einige Politiker-Gesichter nicht mehr ansehen. Aber damit war wenig oder nichts. Was mich verwunderte, war die freche Art, entlang von Strassen, bei Kreiseln und an den Einfallsstrassen und in den Ortschaften Plakatwände aufgestellt und die Kandelaber der Strassenbeleuchtungen mit allen den fähigen Köpfen angereichter werden durften.

Ich erinnere mich an meine Zeit als Kaninchenzüchter und Mitglied des Ortsvereins. Wenn wir eine Ausstellung organisierten und an bloss zwei Stellen an den Strassen, die ins Dorf führen, eine Plastikplane mit dem Hinweis auf unsere Kleintierausstellung aufstellen wollten, musste das Plazet der Polizei eingeholt werden. Sonst gab’s Knatsch. Jetzt musste ich feststellen, dass für die Wahlplakate der Parteien andere Kriterien gelten als für Kleintiere. Aber eben, viele Politiker/innen sind halt „grosse Tiere“, wie der Volksmund es auszudrücken sich erlaubt.

Mit dem  Monatsende beginnt wieder die „Normalzeit“, wie sie im Radio genannt wurde. Was sich da ganz Europa jedes Jahr zweimal mit dem Verstellen der Uhren antut, ist gröbster Unfug. Dem umweltbewussten und gescheiten Menschen von heute ist es offensichtlich wurst, ob der während mehr als eines halben Jahres in einer unnatürlichen Zeitordnung lebt. Denn nie ist die Zeit, die von der Sonne Lauf natürlich angezeigt wäre. Ein Spott für alle Sonnenuhren, die es mindestens – wenn sie gut justiert sind – über eine längere Dauer eine brauchbar genaue Zeit anzeigen.

Für Schulkinder, aber auch für viele Erwachsene, ist die Umstellung mit Schlafproblemen verbunden. Und das Problem, das Bauern mit ihren Milchkühen haben, sollte nicht einfach belächelt werden von  denen, die am späteren Abend fälschlicherweise meinen, sich einer entsprechend längeren Sonnenscheindauer erfreuen zu dürfen. Die Probleme mit der Tierwelt wegen der längeren Dauer öffentlicher Beleuchtungen sind bekannt.

Das Ganze ist eigentlich ein Bschiss. Russland ist er verleidet: die Russen werden nicht mehr umstellen. Nur haben sie den Fehler begangen, bei der „Sommerzeit“ stehen zu bleiben. Also pfuschen auch sie weiterhin fröhlich der Natur ins Handwerk.

Zur Erinnerung: Die Schweiz hat in einer Volksabstimmung heroisch einmal nein gesagt zur Einführung der Sommerzeit. Zwingende Argumente vom Energiespar-Effekt waren aber gewichtiger; unterdessen sind auch diese Argumente  nur noch Scheinargumente. Der Energiespar-Effekt ist gleich Null. Alle geben es mindestens zu. Immerhin.

Aber wir werden uns wohl oder übel weiterhin anpassen, widerwillig und mit null Begeisterung. Falsch ist es trotzdem. Warum? Weil die Uhren etwas anzeigen, das nicht stimmt. Punkt.