Gedanken zur Zeit im 
August
 
2013
 

Bildungsinhalte

Wenn das neue Schuljahr beginnt, lassen Bildungsverantwortliche sich vernehmen. Sie rühmen das das bisher Erreichte und lassen das Volk teilnehmen an ihren Visionen für die Zukunft der Schule in der Gesellschaft von morgen. Dafür haben sie einen Bildungs-Passpartout entworfen, worin die Bildungs- und Lern-Inhalte definiert sind. Wichtig: neben der Anerkennung des bisher guten Systems sollen Bildung und Schule fortgeschrieben werden.

Wie ein Baum, der Neuholz ansetzt, soll alles immer lebendiger grösser und stärker werden. Soll das Ganze soll nachhaltig sein, dann müssen Bildungsinhalte koordiniert werden. Dann soll auf die Zeichen der Zeit reagiert werden, indem  den Anliegen der Umwelt(Erziehung), den Fragen zum Energiewechsel, und allgemein der Verantwortung für unser Land und den gesamten Planeten gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Junge Menschen sollen würdige Mitglieder der Gesellschaft werden.

Die kursiv gesetzten Begriffe stammen nicht  etwa von mir, nein, von sehr viel kompetenteren und gescheiteren Leuten. Ich habe mir erlaubt, bei der Vorstellung des Lehrplans 21etwas aufmerksam hinzuhören, da mich das Thema interessiert. Lehrplan 21: ein Begriff wie der mit den zwei Fliegen auf einen Schlag; 21 Kantone haben sich zum Mitmachen verpflichtet, und das Ganze soll der Menschheit des 21. Jahrhunderts die entscheidenden Impulse für ihre höhere sittliche Entwicklung geben. Ich habe den Herren Christian Amsler, Präsident der Erziehungsdirektoren-Konferenz EDK und Beat Zemp, dem Präsidenten des Schweizer Lehrerinnen- und Lehrervereins zugehört.

Ach, du liebe Zeit, sagte ich mir. Alter Wein in neuen Schläuchen, schon lang Erkanntes in neuen Hülsen.

Mit der EDK habe ich so oder so meine liebe Mühe. Ein Club ohne eigentliche politische Legitimation. Da wird zufällig in einem Kanton einer oder eine in die Regierung gewählt, zufällig erhält er oder sie das Bildungsdepartement, und schon ist er oder sie sachverständig im Bereich Bildung und somit mit höheren Weihen ausgestattet. Und den Präsidenten des Lehrervereins möchte ich mal beim Unterrichten in seinem Schulzimmer zuschauen dürfen. Seine immer wieder beschworenen Begriffe wie Sozialkompetenz, Auftrittskompetenz, Anwendungskompetenz möchte ich mal 1:1 gesehen haben.

Manchmal machen mich die Diskussionen um neue Kompetenzen nachdenklich, oft traurig. Dann kommt mir immer eine  Schulklasse mit ihrer Lehrerin am ersten Schultag vor Augen. Alle Kinderaugen voller Erwartungen auf vergnügliche Erzählungen, spannende Schilderungen, auf verständliche Erklärungen, auf Aha-Erlebnisse während Stunden, Tagen, Jahren. Augen voller Hoffnung, dass die Lehrerin, und später alle anderen Lehrpersonen, sie - alle Kinder - gern hat, sie gut mag, ja, ich sage es unmissverständlich -  sie liebt. Sie hoffen auf Lehrpersonen, denen man ansieht, dass sie ihren Beruf mit Freude ausüben. Kinder dürfen doch noch darauf hoffen, dass all die vielen Kompetenzen eben genau das beinhalten: Liebe zu allen, die unterrichtet werden sollen.

Wo ist der Schüler mit der schlechten Prüfungsnote, dem der Lehrer nach der Stunde sagt: Jetzt wollen wir mal schauen, wo dein Problem ist?

Die Schule dürfte keine unfrohen Leute als Lehrende beschäftigen, auch wenn sie in noch so vielen Kompetenzen ausgebildet sein sollten. Wo sind die Klassen geblieben, mit denen zum Unterrichtsbeginn ein frohes Lied gesungen wird? Wo gehen Schülerinnen und Schüler in einen Unterricht, wo sie zu Beginn gefragt werden, oder sagen dürfen, wie es ihnen geht? Wo ist das Schulhaus, wo den Katecheten und den Instrumentallehrern nicht immer nur Randstunden zugewiesen werden? Sozialkompetenz unter dem Lehrpersonal wäre hier wohl gefragt und nicht nur Auftrittskompetenz. Auf diesem Gebiet dürfte der „Baum Schule“  etwas Neuholz ansetzen.

In meinem ligurischen Dorf, wo ich im Jahr einige Wochen weile, habe ich stets ein Auge auf die dortige Schule. Und weil das Dorf einen historisch attraktiven Kern hat, begegne ich, wenn nicht die langen Ferien sind, vielen Schulklassen. Sicher haben die Schüler hier nicht so prächtige Lehrmittel wie die Schweizer Kinder. Schulhäuser sind nicht so schön, und die Entlohnung des Lehrpersonals ist schlecht. Aber manchmal bekomme ich das Gefühl, trotz aller Unbill in diesem Staat seien Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, irgendwie natürlicher und heiterer.

Aber vielleicht täusche ich mich. Und jeder Bildungsdirektor mit höchsten Weihen aus der Schweiz würde mich glatt vom Gegenteil zu überzeugen versuchen.