Gedanken zur Zeit im 
Mai
 
2015
 

Maikäfer sammeln

Das waren noch Zeiten, als der Lehrer der Mittelstufe mit uns Schülern Maikäfer sammeln ging. Er stellte sich in den Dienst einer guten Sache; denn die Maikäfer waren damals ernst zu nehmende Schädlinge. Sie kamen massenhaft vor. Auch ausserhalb der Schule gingen wir auf Maikäferjagd; denn für jeden Liter Maikäfer bekam man von der Gemeinde einen Batzen.

Der Schädling ist eigentlich nicht der Maikäfer, sondern der Engerling, der im Boden Pflanzenwurzeln frisst und Ernten vernichtet.

So erinnere ich mich auch an das Kartoffelgraben: Vater grub mit dem Karst die Erdäpfel aus dem Boden, und wir Buben mussten sie auflesen. Kamen dabei Engerlinge ans Tageslicht, wurden sie sofort vernichtet. Dass aus dem gruseligen Engerling ein Maikäfer werden sollte, war für uns Kinder fast nicht zu glauben.
Der Maikäfer legt seine Eier wieder in den Humus, und die wundersame Verwandlung kann von vorne beginnen.

Heute ist die Maikäferpopulation stark zurückgegangen; es fliegen den Frauen, die sich mittels Regenschirmen zu schützen versuchten, keine Maikäfer mehr ins Haar. Und – ich gebe es zu: Mancher Maikäfer wurde von uns Buben den Mädchen heimlich an die Kleider geheftet. Die Streiche von Max und Moritz waren uns auch bekannt. Der Onkel muss einen nächtlichen Vernichtungskampf gegen die Käfer führen, die ihm die zwei Lausbuben ins Bett gelegt hatten.

„Es gibt keine Maikäfer mehr“, singt Reinhard Mey in seinem bekannten Lied. Mit dem Einsatz des Insektizids DDT, das auf den Maikäfer bis 1974 angesetzt wurde, ging des ihm an den Kragen. Allerdings werden in einigen Teilen Mitteleuropas wieder grössere Maikäferbestände registriert. Können wir uns bald wieder an den Maikäfern freuen und das Kinderlied anstimmen

Maikäfer, flieg!
Der Vater ist im Krieg.
Die Mutter ist im Pommernland,
und Pommernland ist abgebrannt.
Maikäfer, flieg!

Der Tragik, die in diesem kleinen Lied steckt, das wir zur Melodie „Schlof, Chindli, schlof“ gesungen haben, werde ich mir eigentlich erst heute bewusst. So kann einen die Betrachtung über das Maikäferschicksal sehr wohl nachdenklich machen.