Gedanken zur Zeit im 
Juni
 
2009
 

Muss Musik nicht rein klingen?

Muss denn Musik nicht rein klingen?

Ich staune, was da an Schulschlussfeiern jeder Stufe abgeht - und durchgeht. Niemand scheint mehr zuständig zu sein für musikalische Sauberkeit. Niemand, der Einhalt gebietet, wenn's schräg tönt, und der sagt: Nochmals von vorn! Besser aufeinander hören da, dort!

Mir scheint manchmal, Leiter von Bands und Gesangsgruppen hörten selber nicht, was denn besser tönen müsste. Oder dann hören sie's und wissen nicht, auf welche Weise Verbesserungen zu erzielen wären.

Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, wo Musik ausführen zugleich ganzheitlich auch Gehörschulung beinhaltete. Da gab es doch die Solmisationsmethode an der Mittelstufe der Volksschule. Nach Handzeichen wurden Töne gesungen. Ich habe erlebt - es war im Musikunterricht an der Übungsschule von Josef Geissmann - dass Schüler nach vorne gingen - freiwillig notabene! und mit ihren Händen zweistimmige Melodien zeigten. Und die in zwei Gruppen aufgeteilte Klasse hat nach diesen Handzeichen gesungen. Das war hohe Schule. Nicht überall gelang das so, wie in Geissmanns übungsschule am Seminar Wettingen.

In der Oberstufe der Volksschule stand das Erlernen des Singens nach Noten. Viele sagen zwar, sie könnten nicht nach Noten singen. Warum? Schlicht und einfach, weil es an übung fehlt.

Diese Feststellungen sind zwar für die heutige miserable Musiksituation in vielen Schulen nicht hilfreich, nicht entscheidend, und ich will auch in keiner Weise die Vergangenheit glorifizieren. Aber was einmal die Ziele waren, das darf doch gesagt werden, oder nicht? Auf jeden Fall gab's früher in jeder Gemeinde Schulabteilungen, die frisch und froh Lieder sangen, ein- und zweistimmige Lieder, rein, tadellos. Und das Repertoire war beachtlich. Wenn ein Lied zu Ende war, meist ohne Begleitung eines Instrumentes, war man noch immer auf derselben Tonhöhe wie am Anfang. Der Grund, dass so etwas heute selten geworden ist, liegt in der Tatsache, dass Generationen - es sind bald deren zwei - um ihr Recht auf Gehörsentwicklung und -verfeinerung gebracht wird. Ein Kulturverlust noch nie gekannten Ausmasses!

Es wird nur noch das nachgesungen, was grad Mode ist. Englisch natürlich. Ohne Mikrophon, Verstärker und Lautsprecherboxen geht's nicht. Die Aufmachung ist wichtig, und nicht die Reinheit; die Verpackung ist wichtiger als die Qualität des Inhalts.

Alle Jahre wieder: an Schulschlussfeiern werden sie aufgedreht, die Schalter, Verstärker und Lautsprecherboxen. Wer trällernd einen Star in Sprache, Mimik und Bewegung am besten imitieren kann, bekommt ein Mikrofon in die Hand gedrückt, und los geht's. Von Reinheit keine Spur. Dasselbe traurige Bild auch bei den Bands. Teure Band-Equipments sind vorhanden, also soll was laufen. Ich kenne eine Schülerband, die sich zum Vorneherein mal "Crashband" nennt. Damit man auf Fälle gefasst ist auf das, was alles kommen kann.

Aber was soll meine Schreibe! Die Grossen machen es den Kleinen, besser: die Oldstars machen es den Jungstars vor. Musicstars werden vor aller öffentlichkeit von einer "Jury" - zusammengesetzt nach welchen Kriterien auch immer - gemacht.

Ich plädiere dafür, dass die Appenzeller Volksmusik zur gesunden Allgemein-Lektion für alle erklärt werden muss:
Künftige Stars sollten bei Appenzeller Volksmuikanten in die Gehörschule gehen, sollten dabei sein, wenn sich ein paar Sängerinnen und Sänger zusammensetzen, um ihre "Rugguusseli" und "Zäuerli" zu singen. Zwei und dreistimmig, ohne Noten, nur mit dem Ohr und mit der Stimme, ohne Verstärker.

Ohrenschmaus pur!
Und sie müssten schauen, wie aufmerksam sie alle sind: die, die "oberdure" singen und die andern, die "undedure tönd graadhäbe"!

Es soll niemand kommen und mir vorwerfen, ich hätte extreme Meinungen. Das Recht ist allemal auf meiner Seite, wenn ich meine, Musik habe rein zu klingen.