Gedanken zur Zeit im 
Juli
 
2008
 

Sonntagskleider – auch ein Ritual

An Sonntagen kleide ich mich sonntäglich, wenigstens wenn ich ausser Haus gehe. Diese Gewohnheit habe ich seit meiner Kindheit. Der Sonntag ist der Tag der Sonntagskleider. In meinem Kleiderschrank hängen neben den Alltagskleidern auch so genannte Sonntagshosen, Sonntagskittel, Sonntagshemden. Dazu Krawatten.

Ich bin der Meinung, ich schulde dem Sonntag, der als siebter Tag der Schöpfung zu Gottes Ehre und zur Ruhe geschaffen ist, meine Ehrerbietung. Wenn ich einem Menschen, den ich geschätzt habe, die letzte Ehre erweisen möchte, kleide ich mich für dessen Beerdigung festlich, wenn möglich schwarz, mindestens schwarze Krawatte. Schwarz hat nicht mit Trauer zu tun, wie die meisten Leute meinen, sondern mit Festlichkeit, Anerkennung oder eben - mit Ehr-Erweisung. Ich kann mich mit dem neuen Stil nicht anfreunden, wenn da in Todesanzeigen lesen steht: „Auf Wunsch des Verstorbenen werden gewöhnliche Kleider getragen“. Hier nimmt sich jemand zu wichtig, wenn er meint, sein Tod – ausgerechnet seiner – sei eine private Veranstaltung, und hinter einer festlichen Feier stecke wenig Sinn.

Man weiss nicht, wie viele Leute denn sich bei Fussballspielen fragen, warum (die meisten) Trainer während des entscheidenden Spiels in festlicher Kleidung da stehen; das will nicht so recht zum sportlichen Dress der Spieler passen. Oder eben doch? Ja, denn jetzt kommt der Höhepunkt: Alles, was vorher gegeben, geübt, gelitten und gearbeitet worden ist, muss sich bewähren. Aus Achtung vor seinen Spielern und aus Ehrerbietung für alles, was geleistet worden ist, steht der Trainer in festlicher Kleidung am Spielrand.

Wer die Umfelder bei sportlichen, aber auch bei politischen Veranstaltungen etwas näher erkundet, stösst auf Rituale, also auf Vorgehensweisen nach einer festgelegten Ordnung, die zuweilen religiösen Charakter annehmen. Was ist der neue Brauch denn Anderes, wenn die Spieler mit Kindern Hand in Hand ins Stadion einziehen? Nur eine neue Mode, oder einfach etwas fürs Auge? Das glaube ich nicht. Das liegt etwas dahinter, nicht weit weg von Ministranten im katholischen Gottesdienst oder von Staats- und Bundesweibeln, wenn Regierungs- oder Bundesräte ihren offiziellen Auftritt haben.

Aber was ich eigentlich sagen wollte: Rituale sollten wir uns nicht nehmen lassen. Auch dasjenige mit den Sonntagskleidern nicht.