Gedanken zur Zeit im 
September
 
2008
 

Stimmungsvoller Herbst

Gut, dass es langsam Herbst wird! Man hat sie satt, die täglichen Föteli zum Thema „Ferien am Wasser“ in unserer Aargauer Monopolzeitung. Immer wieder diese Kinder, die irgendwo an einem Weltmeer am Planschen sind. Oder die mehr oder minder attraktiven Töchter oder Mütter, oder ganze Familien, die an Sandstränden sich die Zeit vertreiben. Ich weiss nicht, was die Leute mir mit ihrem Föteli kundtun wollen. Etwa, wo in aller Welt sie die Sommerferien gebucht und verbracht haben?

Zugegeben, man findet dann und wann auch ansprechende Bilder aus dem engeren Lebensraum Schweiz. Mit Kurt-Emil Merki bin ich der Meinung (im„Sonntag“ war der Satz zu lesen): „Hätte der Herrgott gewollt, dass der Mensch an die Costa Brava fliegt, so hätte er ihm ganz bestimmt Flügel mit auf den Weg gegeben“.

Radio Swiss Classic hat mir im neusten Newsletter einen „stimmungsvollen Spätsommer und einen ereignisreichen Herbst“ gewünscht. Mit dem stimmungsvollen Spätsommer verbindet mich zum Beispiel Ludwig Uhlands Gedicht von der Einkehr:

Bei einem Wirte wundermild sei er – wohl ein Wanderer - eingekehrt, beim guten Apfelbaum, der ihn mit frischer Kost genährt habe. Ins grüne Haus seien viel leichtbeschwingte Gäste gekommen; der Wanderer selber habe ein Bett gefunden, auf weicher, grüner Matte, im Schatten. Dies alles, ohne dafür etwas zu verlangen. Den Wipfel habe er geschüttelt, als nach der Schuldigkeit gefragt wurde.

Eine wundersam schöne Stimmung durchzieht Ludwig Uhlands Gedicht, das offenbar zu seiner Zeit beim Volk Anklang gefunden hat und, gestützt von einer munteren Melodie, zum Volkslied wurde. Es fand Aufnahme in Gesangbüchern und war auch in Schweizer Schulen bekannt und weit verbreitet.

Ein Gedicht, das man weitersagen müsste, in unsere Zeit hinein, wo die Äpfel zwar in Obstplantagen gedeihen und nicht mehr an Hochstammbäumen auf weichen, grünen Matten, auf denen man sich im Schatten eines Baumes zur süssen Ruh niederlegen kann. Trotzdem: Das Gedicht von der Einkehr bei diesem Wirte ist ein Lobpreis auf die Schöpfung, den anzustimmen man noch heute allen Grund hätte.

Denjenigen, denen das Gedicht halbwegs noch bekannt sein sollte, sei es nachfolgend in Erinnerung gerufen. Es ist allen gewidmet, die vom Wunsch für einen „stimmungsvollen Spätsommer und einen ereignisreichen Herbst“ beseelt sind:

Einkehr

Von Ludwig Uhland
(er lebte von 1787 bis 1862 in Stuttgart und Tübingen)

Bei einem Wirte, wundermild,
da war ich jüngst zu Gaste;
Ein goldner Apfel war sein Schild
an einem langen Aste.

Es war der gute Apfelbaum,
bei dem ich eingekehret;
mit süßer Kost und frischem Schaum
hat er mich wohl genähret.

Es kamen in sein grünes Haus
viel leichtbeschwingte Gäste;
sie sprangen frei und hielten Schmaus
und sangen auf das Beste.

Ich fand ein Bett zu süßer Ruh
auf weichen, grünen Matten;
der Wirt, er deckte selbst mich zu
mit seinem kühlen Schatten.

Nun fragt’ ich nach der Schuldigkeit,
da schüttelt' er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel!