Gedanken zur Zeit im 
April
 
2011
 

Fachhochschule für Bildung

Zwischen Brugg und Windisch liegt die grösste Baugrube, die ich in meinem Leben je gesehen habe. Ich bin beim Anblick richtig erschrocken. Es kam mir in den Sinn, dass da „der Campus“ entsteht. Campus heisst Feld. Muss man ja schon fast lateinisch benennen, wo die Erde hier doch nur so von römischen Überresten trieft.

Hier also soll die Hochschule Nordwestschweiz zu stehen kommen, die Hochschule, in der auch die Bildungswissenschaften ihre Heimat finden werden. Für Bildung braucht es eine Wissenschaft. Es ist die Wissenschaft, die zuerst danach fragt, was Bildung denn überhaupt ist. Und diejenigen, die Bildungswissenschaften studieren müssen, sind die angehenden Lehrerinnen und Lehrer der Nordwestschweiz.

Weil die Bildung ein so grosses Feld – ein wahrer Campus – ist, kann der Studierende auch nach langen Studienjahren unmöglich alles wissen. Deshalb studiert er nur Teile dieser Wissenschaft. Man nennt diese Teile Module. Die Wahl der Module ist Sache der Studierenden. Vornehmlich werden sie diejenigen Module wählen, zu denen sie sich einigermassen hingezogen fühlen. Französische Sprache zum Beispiel. Ist dieses Modul ausstudiert, werden, nach gründlich abgelegter Prüfung, die Studierenden zu Lehrerpersonen in Französisch. Aber nur für diese eine Sprache.

Nun braucht’s das noch etwas dazu: Französisch allein kann’s ja nicht sein. Ein weiteres Modul wird studiert. Vielleicht Geschichte.

Also wird aus der Französisch-Lehrperson noch eine für Geschichte. Und dann geht’s los, auf Stellensuche. Lehrende sind bekanntlich Mangelware; weibliche weniger, aber auch hier ist der Markt angespannt. Irgendeine Schulpflege ist froh, wenn sich jemand auf die Stellenausschreibung meldet. Nun aber: die Lehrperson kann nur Französisch und Geschichte unterrichten. Brauchen tät’s noch jemanden für Mathe, zum Beispiel an einer der Realschule.

„Ja nun, jemand, der von der Hochschule kommt, wird das mit Mathe ja wohl auch noch können. Probieren wir mal!“ Und los kann’s gehen mit dem Schulehalten. Nicht selten geht’s in die Hose.

Natürlich ist noch die eigentliche Bildungs-Wissenschaft studiert worden. Früher hiess sie Erziehungswissenschaft. Erziehung hat den Beigeschmack von ziehen, Zögling, Zwang und Druck. Das alte Wort streicht man am besten aus dem Vokabularium, will man denn eine moderne Bildungsfachperson, sprich Lehrperson sein.

Aber Otto, wo denkst du denn hin? Solche Gedanken kommen dir beim Anblick des Campus-Lochs vor Brugg?

Ja, und in welchem Ausmass! Es wird wohl ein Campus werden, dessen Fundament in der Erde fest verankert ist. Ob die Halbwertszeit der Erziehungswissenschaften so gross ist wie die des neuen Bauwerks, wage ich zu bezweifeln. Denn bis dato hat man eigentlich nur immer von den wissenschaftlich Auszubildenden gesprochen.

Über die Bedürfnisse der ganz gewöhnlichen Nordwestschweizer Schülerinnen und Schüler aller Stufen wird wohl später – hoffentlich aber nicht zu spät – von Politikern, unter Beizug der dannzumal in die Jahre gekommenen Erziehungswissenschafter debattiert werden.