Gedanken zur Zeit im 
Februar
 
2012
 

Vom grünen und anderen Bereichen

Das Modewort Bereich ist allgegenwärtig. Meteorologen stellen Minustemperaturen im zweistelligen Bereich in Aussicht, und nach einigen Tagen klettern die Temperaturen bereits wieder in den zweistelligen Bereich. Das kann Vieles bedeuten und soll den Anschein soliden Expertenwissens machen.

Nach dem Unfall eines Spitzensportlers erfährt man, er leide unter starken Schmerzen im Schulterbereich. In Sachen Schmerzen wird der ganze Körper überhaupt in Bereiche aufgeteilt: Kopfbereich, Halsbereich, Brustbereich; Halsschmerzen werden also zu Schmerzen im Halsbereich, und so fort.

In Homestories und Interviews wird meist zuerst vom Arbeitsbereich erzählt (nicht von verschiedenen Arbeiten); dann gibt’s Angaben zum Freizeitbereich, zum Bereich Familie und Kinder, und ganz zum Schluss folgen vielleicht vorsichtig noch einige Andeutungen zum Intimbereich.

Im Supermarkt wird unterschieden zwischen Food-  und Nonfoodbereich, Hotels bieten Einrichtungen und Aktivitäten an im Wellness-, Sauna und Poolbereich (wobei unterteilt wird in den Nass-, Trocken- und Erholungsbereich). Für den Küchenbereich gibt’s nur Höchstnoten, vom Morgenbuffet bis zum abendlichen Fünfgänger.

Erfolg wird garantiert, wenn Prioritäten gesetzt werden. In der Mehrzahlform ist Priorität eigentlich ein unmögliches Ding. Prior oder prius heisst das alleinige Oberste. Zwei oder mehrere kann es zuoberst aber nicht geben. Somit sind alle, die mir sagen, sie setzten Prioritäten,  Leute, die eigentlich keine haben. Das mit dem Setzen von Prioritäten entpuppt sich meist als Angeberei, indem Ordnung und Zielstrebigkeit vorgetäuscht wird.

Marianne Binder-Keller, Medienbeauftragte der CVP, sprach vor nicht langer Zeit von  Projekten, das prioritär zu behandeln sei.  Sie verstieg sich zum Satz: „Hier ist Handlungsbedarf ist längst überfällig“. Handlungsbedarf, ist ein weiteres Modewort, das zum ersten Mal von alt Bundeskanzler Helmut Kohl in die Welt gesetzt worden ist. Der wollte schlicht und einfach sagen, es müsse nun gehandelt werden. Und Frau Binder wollte ganz einfach dasselbe sagen, setzte aber noch einen drauf, indem der Bedarf längst überfällig sei. Keine Angst: Überfällig hat nichts mit einem Überfall zu tun. Der Zwang zu Gehobenheit treibt oft seltsame Blüten.

Soll ein Projekt Hand und Fuss haben und für die Zukunft Erfolg versprechen, so wird die „Nachhaltigkeit“ bemüht. Das, was von jetzt an gilt, soll für immer halten und „verhebe“. (Nicht rinnen darf das Fass. Es muss „verlechnet“ und die Öffnung mit „Türlistriichi“ dicht gemacht sein).

Der Zwang zu Gehobenheit und vermeintlicher Originalität kennt bei gedruckter Information kaum Grenzen. Von Hakan Yakins guter Leistung hiess es kürzlich in der AZ: „Eine Handschrift frisch ab Presse“. Bis jetzt glaubte ich, etwas von Hand Geschriebenes sei eben grad kein ein Presse-Erzeugnis. Vielleicht steht in derselben Zeitung nächstens zu Ostern wieder: „Papst segnet urbi et orbi“. Nun, es kann ja nicht jeder ein des Lateins Kundiger sein und wissen, dass es sich hier um den Dativ von urbs (Stadt) und orbis (Erdkreis) handelt. Gut wär’s aber schon, gäbe es in der Redaktion noch jemanden, der die diversen Schreiber auf solche Ausrutscher aufmerksam machen könnte.

Na ja, lassen wir das. Kleinlichkeit ist nicht meine Sache; zwar hat mir kürzlich jemand gesagt: „Einmal Lehrer – immer Lehrer“. Wie soll ich das verstehen?