Gedanken zur Zeit im 
Mai
 
2014
 

Wohnungswechsel

Den grössten Respekt vor der Züglete von der Fünfeinhalbzimmer-Wohnung in meine jetzige kleinere Dreizimmerwohnung hatte ich vor meinem Schreibtisch. Da drin – eben weil er recht gross war – hatte sich im Laufe der Jahre allerlei angesammelt. Von Unterlagen zur Steuererklärung über Mal- und Zeichenzeug, über Sackmesser und viele, viele Schreibstifte, Medaillen von Schützenfesten und Küngelausstellungen war da alles vorhanden. Was soll mit all dem Zeug geschehen?

Langes Studieren brachte nichts, bis ich mich ernsthaft zu fragen begann, was alles ich denn in den letzten Jahren von all dem Zeug wirklich auch gebraucht hatte. Und da gab es noch Vieles, was ich nach Jahren erst wieder in einer Schubladenecke entdeckte. Die Räumung wurde zu einer kleinen Entdeckungsreise. Also: Augen zu und weg damit. Was meine verstorbene Annette mir vor Jahren schon geraten hatte, im Schreibtisch endlich mal Ordnung zu machen, wurde jetzt plötzlich dringlich.

Soll ich mich vom Dienstbüchlein trennen? Erinnerungen kommen hoch; aber wenn ich mal nicht mehr da bin, interessiert sich für meine vaterländischen Dienstleistungen kein Mensch mehr, ebenso wenig dürfte es jemanden interessieren, welche sportliche Leistungen ich im militärischen Vorunterricht und an der Aushebung zum Mitrailleur vorzuweisen hatte. Verdammt schnell war ich im Klettern; ja, da hatten viele kein Brot gegen mich.

Aber, was erzähle ich da? Daneben gibt’s natürlich Dinge, zu denen ich Sorge tragen muss: Versicherungsakten, Garantiescheine, Bank- und Finanzsachen, Schuldscheine, Verträge und, und.....

Besser würde ich von den ungefähr zwölfhundert Büchern schreiben, die seit Jahren meinem Wohnraum einen etwas altmodischen intellektuellen Anstrich gegeben hatten. Ich liess zuerst meine Kinder mit ihren Familien aufmarschieren, sie sollten mitnehmen, was ihnen gefallen könnte. Vorher hatte ich etwa dreihundert Bücher, die ich noch nicht hergeben wollte, aussortiert. Nachher kamen Freunde und Leute, von denen ich wusste, dass sie Leser sind, und nahmen das mit, was sie interessierte. Aber das alles machte das Bücherrregal nur ein bisschen weniger fett. Alle die sündhaft teuer gewesenen Bildbände, Lexika und Bücher über Kunst, Gesamtausgaben der vermeintlich grossen Denker blieben stehen. Somit war ich gezwungen, viele meiner Bücher in die Bücherbrocki zu geben.

Und so kamen dann die Räumungsmänner drei Tage nach der eigentlichen Züglete und nahmen die säuberlich in Häufchen gestapelten Bücher auf, schossen sie in eine Kiste und leerten diese vor der Haustüre in einen Container. Ich wollte das nicht sehen, aber ich fragte mich, ob das, was ich mit meiner kleineren Wohnung vorhatte, auch wirklich richtig sei.

Ich hoffe, die nachherige Aussortierung – so wurde es mir versprochen – habe zu einer Fundgrube geführt. So stelle ich mir vor, dass Menschen meine Bücher in Händen halten und dabei denken, so eine Bücherbrocki sei eine gute Sache. Ist sie auch; denn ohne diese Gewissheit wäre es mir nicht so recht wohl. Übrigens: seit zwei Monaten, in der ich in der neuen Wohnung mit dem viel kleineren Bücherbestand lebe, habe ich noch keines meiner früheren Bücher vermisst.

Aber ich habe das bestimmte Gefühl, ich hätte es richtig gemacht mit der Verkleinerung meins Einmannhaushalts. Wer vorbeikommen möchte, ist freundlich eingeladen.