Gedanken zur Zeit im 
Mai
 
2013
 

Zur Wohler Straumuseums-Begeisterung

Sie haben das Strohmuseum in die Villa eine ehemaligen Strohindustriellen – man nannte sie auch Strohbarone – gezügelt. Alle sind des Lobes voll, vom Herrn Landammann Hürzeler, der zur Einweihung hergereist ist, über den ehemaligen Regierungsrat Wertli (Präsident der Freunde des Strohmuseums) und Gemeindeammann Walter Dubler bis zum Mann von der Strasse. Ein etwas zwiespältiges Gefühl, trotz aller Lobes-, Dankes- und Erinnerungsreden der Politgrössen, bleibt. Wenigstens bei mir.

Auf der einen Seite ist sehr wohl der Pioniergeist und die unternehmerische Leistung, die über Jahrzehnte, Jahrhunderte sogar vorhanden war, anzuerkennen. Auch der Kunstsinn, der die Strohbranche auszeichnete, ist grossartig; einmalig, was da geleistet worden ist. Zudem wurde vielen Leuten im Freiamt, in der Region Wohlen und in Gebieten ausserhalb des eigentlichen Freiamts, Verdienstmöglichkeiten geboten.

Hier beginnt die andere Seite meiner Gedankensplitter.

Als Otteli, der in viele Häuser in seinem Dorf hat Brot vertragen dürfen, kam ich schon als kleiner Bub mit den Leuten in Kontakt. Meine allgemeine Kontaktfreudigkeit stammt aus eben jenen Jugendjahren, als ich mit der Hutte am Rücken in die Wohnungen kam, in denen Heimarbeit verrichtet wurde. Da wurde geflochten, gehütelt und gespult; es mussten die Fäden von der einen Spule auf eine andere umgespult werden, zum Beispiel von einer grossen auf eine kleine oder umgekehrt. Trüllen nannte man das, das Rad des Spul-Apparates drehen. Hierfür war jede Arbeitskraft geeignet, vielfach alte Leute, die gerade noch zum Trüllen gebraucht werden konnten. In anderen Stuben wurde oft bis spät in die Nacht geflochten, bis die Finger der fleissigen Frauen wund waren. Wer eine geschickte Hand hatte, nähte auf einem Model das Geflecht zu einem Hut zusammen. „Hüetle“ war eine anspruchsvolle Arbeit.

Fertige Heimarbeiten mussten zum Ferggen in die Fabrik gebracht werden. Dort wurden sie einer genauen Qualitätskontrolle unterzogen. Dem gestrengen Auge des Ferners oder der Ferggerin entgingen keine Fehler oder Schwachstellen. Schliesslich musste jede Arbeit dem guten Ruf und dem hohe Niveau der Strohindustrie entsprechen.

Weswegen ich das schreibe? Um an die damals schlechte Entlöhnung der Heimarbeiterinnen zu erinnern. Genaue Zahlen habe ich nicht; ich weiss nur, dass es eine bescheidene Entlöhnung war und ungerecht dem gegenüber, was „höher oben“ verdient wurde. In den Büros wurde besser verdient; wer es etwa zum Bürochef oder gar zum Prokuristen brachte, konnte sich dann schon mal ein Haus, vielleicht sogar ein schönes, grösseres und grosszügigeres als die gewöhnlichen Leute leisten. Und die ganz oben verdienten schön, teilweise ganz schön. So schön, dass da einiges an Reichtum zusammengekommen ist, wovon noch heute gut gelebt wird. 

Wenn im Strohmuseum den oben beschriebenen alten Leuten eine Fotowand gewidmet ist, auf der informiert wird, wie viel im Vergleich mit den Oberen verdient wurde, werde ich dem berühmten Wohler Strohmuseum auch mal einen Besuch abstatten.

Die eigens dem Strohmuseum gewidmete neue Pro-Patria-Briefmarke mit dem Strohhut sollte meiner Meinung nach die ganze und wahre Geschichte der Strohindustrie erzählen.