Gedanken zur Zeit im 
Juni
 
2012
 

Kulturtechniken ade

Mir ist eine Bemerkung von Pater Kassian Etter im Kloster Einsiedeln in Erinnerung geblieben. Er führte uns in die riesige, wunderbare Klosterbibliothek.  Auf meine Frage, ob da auch Studenten noch vorbeikämen, um etwas zu suchen, meinte er: „Immer seltener. Wissen Sie, seit alle einen Computer haben zum Googeln, ist es nicht mehr unbedingt nötig, sich in Büchern zu orientieren. Aber eines ist sicher: die verpassen etwas, verpassen sehr viel; denn wenn man hier in Büchern etwas sucht, dann findet man immer noch weit mehr dazu, was den Horizont erweitern könnte. Durch das Googeln wird Bildung letztlich eng und punktuell. Wissen Sie, was ich meine?“ fragte er mich zum Schluss.

Und ob ich das wüsste! Ich habe die Zeit noch erlebt, als man im Schulrechnen (heute Mathematik) zum Beispiel meinte, auf das gründliche Erlernen und Üben des Einmaleins verzichten zu können. Die Folge war – und ist – der Verlust eines Vorstellungsvermögens im Zahlenraum. Was obendrein mit der Nichtmehr-Anwendung des Bruchrechnens verloren gegangen ist, grenzt schlicht an eine Katastrophe. Denn: wem nicht bewusst ist, dass ein Viertel die Hälfte von einem Zweitel ist und ein Achtel die Hälfte eines Viertels, der begreift auch beim Genuss der besten Flasche Weines nie, dass die Hälfte einer Siebeneinhalb-Deziflasche das Drüachteli-Fläschli ist.

Und dann eben noch die allbekannten Rechen-Vorteile, wie sie hiessen. Der sie beherrscht, rechnet 3 x 97 einfach 3 x 100 minus die 3 x 3 zuviel, ergibt 300 minus 9 = 291. So einfach, oder? Gewitzte machen’s noch heute so!

Unter einem Zentner verstand man früher das Gewicht von 50 Kilo.  Da verkaufte der Bauer einen halben Zentner Kartoffeln, und das waren 25 Kilo. Auf der Dezimalwaage wurde alles mit Gewichtssteinen abgewogen, Das Gewicht auf der Waage entsprach den zehn mal kleineren Gewichtssteinen. Wer beim Metzger einen Vierlig Geschnetzeltes verlangte, bekam 125 Gramm, nämlich den vierten Teil eines Pfundes. Wie der Zentner war auch das Pfund sozusagen das Grundmass, das man teilte oder vervielfachte. Man  kaufte ein halbes Pfund (250 g) oder einen Vierlig (125 g), oder beim Bäcker einen Zweipfünder Brot (1 kg) oder einen Vierpfünder (2 kg).

Die wichtige Bedeutung von Pfund erkennt man noch heute am Adjektiv pfundig,  womit eine grosse, wichtige Sache gemeint ist. Wenn einer  „s Pfund überchunnt“, so ist nicht ein Gewicht gemeint, sondern eine saftige Strafe.

Zurück zum Anfang: Das Handy ist trotzdem ein Segen für den Menschen von heute.
Was aber nicht bedeutet, dass man Einsichten, wie ich sie oben dargestellt habe, nicht bedenkenswert finden darf.