Gedanken zur Zeit im 
März
 
2013
 

Mein Bach

Für einmal nicht der Johann Sebastian, sondern der Erusbach, der an meiner Wohnung vorbeifliesst und mich mit seinem Rauschen jeden Abend in den Schlaf begleitet. Übermässig gross kann er bei starken Niederschlägen oder gar Unwettern nicht mehr anschwellen und über die Ufer treten; denn im Gebiet des Schlosses Hilfikon hat man vor ein paar Monaten ein Rückhaltebecken gebaut. Trotzdem: in den letzten Wochen ist er einige Male noch recht stark angeschwollen.

In der Allmend von Oberschongau, noch auf Luzerner Gebiet also, entspringt der muntere Geselle, der die Dörfer Schongau, Bettwil und Sarmenstorf durchfliesst, und in Hilfikon ins Villmerger Gemeindegebiet Einlass begehrt. Im Raum der Villmerger Sportplätze vereinigt er sich mit dem Hinterbach und fliesst als Holzbach dann Richtung Bünz.

Südlich der Kirche St. Ulrich in Oberschongau liegt ein Feuerweiher, der von den Wassern des jungen Erusbachs gespiesen wird. Im Zickzack floss der offene Erusbach noch bis in die Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts über das weite Feld zwischen Oberschongau und Bettwil. Aus Gründen der besseren landwirtschaftlichen Nutzung wurde er eingedohlt. Auf Luzerner Gebiet ist er heute wieder renaturiert, und es wird eine Frage der Zeit sein, bis er auch auf Aargauer Gebiet geöffnet wird. Der alte Bachverlauf ist im Feld zwischen Oberschongau und Bettwil noch heute gut erkennbar.

Positiv ist heute die Einsicht zu bewerten, dass Fliessgewässer ihren natürlichen Lauf zurück erhalten sollen. Renaturierung ist angesagt. Wie hat man denn früher nur Bäche in Röhren und Kanäle zwängen können? Gründe dafür gab es für Menschen jener Zeit schon. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es heisst, dass der Bettwiler Bach früher recht fischreich war. Der Fischbestand nahm mit der zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft ab. Noch heute braucht die Bettwiler Feuerwehr in Brandfällen das Wasser des Erusbachs. In früheren Jahren wurde im Unterlauf des Baches eine Sägerei und eine Mühle mit Bäckerei betrieben.

Auf alten Fotos von Sarmenstorf sieht man den Erusbach munter an den Häusern der Marktstrasse vorbei fliessen. Aber auch in diesem Dorf wurde er später in Röhren gefasst. Das rächte sich in letztes Mal im Jahr 1986, als der Erusbach die Sarmenstorfer erschreckte: Am 20. Juni drang er bei Hochwasser von hinten in die Bar des Restaurants Ochsen und floss vorne auf die Strasse ins Unterdorf.

Gemächlich fliesst der Bach Richtung Villmergen. Hier, wie in Sarmenstorf übrigens auch, betrieb er drei Mühlen. In Villmergen waren das zuerst die Obere Mühle. Auf ihrem Platz steht heute das Seniorenzentrum. Die Mittlere, die Mühle Dambach, stand dort, wo jetzt gerade die ersten Wohnungen in den zwei Mehrfamilienhäusern bezogen werden, die auf dem ehemaligen Mühle-Areal entstanden sind. An den Mühlenbetrieb im Mitteldorf erinnert nur noch das hohe Trottoir am Kirchenbord an die einstige Anlage; der Gehweg befindet sich nämlich auf dem Kanal, der einen Teil des Erusbachs auf die Turbine leitete. Die dritte Mühle stand bei der heutigen Sägerei Stähli.

Das Erusbach ist eine Zierde meines Dorfes. Er lebt und bietet manchen schönen Anblick,
Im sauberen Wasser, schwimmen muntere Bachforellen. Viele Uferpartien sind mit Bäumen und Sträuchern bestockt, und jetzt im Frühling sind viele Stockentenpärchen zu beobachten.

Im Jahreslauf zeigt mir mein Bach grosszügig immer wieder seine schönsten Seiten. Beim Einschlafen begleiten mich seine Wellen zufrieden murmelnd zu Bünz, Aare und Rhein. Auf ihnen gleite ich vorbei an schönen Städten wie Basel und Köln und bald schaukele ich in schönen Träumen auf den Nordseewellen.