Gedanken zur Zeit im 
April
 
2013
 

Mit Büchern sprechen

Im Laufe meines Lebens haben sich um mich herum viele Bücher versammelt. Sie sind einfach so zu mir gekommen; die meisten habe ich gekauft, einige geschenkt erhalten. Und das sind sie nun alle bei mir. Um eine Übersicht zu behalten, habe ich alle in einer Datenbank registriert und neu dazu gekommene nachgetragen.

Mit zunehmendem Alter beginne ich mich zu fragen, was mit meinen Büchern wohl einmal werden wird. Wer will die schon haben? Einige wenige dürften vielleicht begehrt sein, der grosse Teil aber wird - wenn‘s pressiert oder sonst schief geht - in einem Container landen. Noch aber sind sie noch alle bei mir. Wöchentlich fast kommen neue dazu. Natürlich habe ich auch schon von einigen Abschied genommen, indem ich sie verschenkt oder dem Sammler übergeben habe, der allmonatlich an einem Sonntag in seinem Flecken einen Büchermarkt veranstaltet und guten Erfolg hat.

Wenn ich so dasitze und meine Bücher im nahen Gestell überblicke, bleibe ich dann bald in Gedanken an bestimmten Titeln hängen. Oft steigen diese und jene Lese-Erinnerungen auf. Ich trete in vertraute Räume, manchmal nur flüchtig, dann und wann aber so intensiv, dass ich ein bestimmtes Buch zur Hand nehme, blättere, lese, und bei langsamem Zurücklehnen alles um mich herum vergesse.

Da steht doch das gesammelte Werk von Silja Walter, die ich dann in der Erinnerung höre, wie sie aus ihren Werken liest. Ich höre sie ihr Gedicht rezitieren, in dem es heisst, dass doch jemand wach sein müsse, wenn der Herr kommt in der Nacht.

Ach, der wunderbare Hesse. Ich habe ihn immer wieder gelesen; seine vollkommene Sprache beruhigt, seine Texte beleben, wühlen, wärmen, kühlen. Und ein paar unvergänglich schöne Gedichte hat er der Welt geschenkt

Zu meinen Freunden unter den Büchern gehören die Gesamtausgaben von Josef Reinhart und Simon Gfeller. Diese Mundart-Schriftsteller, die mir schon in meiner Jugendzeit begegnet sind, könnten noch uns Heutige lehren, was gutes Erzählen ist. Es muss gekonnt sein, wenn es die Zuhörenden fesseln soll. Von Simon Gfellers „Vermächtnis“ (er war Lehrer im emmentalischen Heimisbach) habe ich viel über Sprache, Schreiben und Erzählen gelernt. Josef Reinharts Schilderungen des solothurnisch-jurassischen Bauernlebens sind grosse Erzählungen. „Waldvogelzyte“ war schon früh eines meiner Lieblingsbücher.

Da steht das Werk von J.R. Von Salis; er ist einer der herausragenden Schweizer Denker des letzten Jahrhunderts. „Grenzüberschreitungen“ waren sein Thema in politischem Sinne in der Nachkriegszeit. Nach der Emeritierung als Professor der ETH schrieb er auf Schloss Brunegg seine „Notizen eines Müssiggängers“. Pflichtlektüre sollten sie sein für jeden denkenden Zeitgenossen.

Als ich einmal im vom grossen Fenster der Villmerger Kirche aus sein Schloss in hellem Sonnenstrahl leuchten sah, schrieb ich einen Gruss nach Schloss Brunegg und erhielt nach ein paar Tagen eine Karte, mit der von Salis seiner Freude Ausdruck gab und meinen Gruss herzlich verdankte. Sein Briefchen habe ich vorn in eines seiner Bücher geklebt.
Ja, und alles Andere in meinen Gestellen? Ich mag nicht daran denken, was einmal sein wird und wollte eigentlich nur davon erzählen, wie Bücher sprechen, und wie sie einen in ihren Bann ziehen können.