Buchhinweis im 
Januar
 
2011
 

Alle Farben des Schnees

Angelika Overath
Luchterhand

Ich habe das Buch auf Grund einer Empfehlung im Literaturteil des Radioheftes KULTURTIPP gekauft. Alle Bücher, die ich lese, gehören mir; ich bin kein Bibliotheksbenützer. Ich will in einem Buch etwas nachschlagen können.

Also, Angelika Overaths „Alle Farben des Schnees“ habe ich gekauft, weil es mich immer interessiert, wie jemand Landschaft und Natur, Stimmungen und Jahreszeiten beschreibt. Da bekommt man als Leser tatsächlich manche wunderbar poetische Abschnitte zu lesen, die tief berühren. Schnee ist nicht einfach weiss: Angelika Overath sieht ihn mal blau, rosa, pfirsichfarben, hell, dunkel, stumpf oder leuchtend. Mit poetischem Auge schreibt die Dichterin vom Dorf Sent, vom Unterengadin, von den Bergen, von traditionsreichen Festen und Feiern und vor allem von den Menschen, die hier leben.

Ihr Tagebuch, das sie vom 1. September 2009 bis zum 1. September 2010 führt, zeigt dem Leser auch den Alltag eine Schriftstellerin mit ihren Verpflichtungen für Lesungen und Vorträge im In- und Ausland, aber auch ihre Rolle als Mutter ihres noch schulpflichtigen Sohnes Matthias.

Die ganze Situation der Familie Overath ist schon einmalig: Sie wohnten in Tübingen und machten über Jahre Ferien in Sent im Unterengadin. Eines Tages im Jahre 2005, in den Ferien in Sent, sagte Angelika auf einem Spaziergang zu ihrem Mann Manfred, sie könnten eigentlich auch hierher ins Unterengadin ziehen und da weiter leben. „Ja, das können wir machen“ war seine entschlossene Antwort.

Die zwei älteren Kinder, noch in der Ausbildung, blieben in Deutschland, und Matthias, der noch schulpflichtige Nachzügler, musste sich in der Senter Schule, wo man in den unteren Klassen nur romanisch spricht, zurecht finden. So fing ein neues Leben in einem neuen Land und in einem neuen Sprachgebiet an. Wie Angelika, ihr Mann Manfred und ihr Sohn mit vielen kleinen Schritten ein neues Leben beginnen, ist Gegenstand vieler, zum Teil knapper, tagebuchmässiger Notizen. Es geht um neue Bekanntschaften im 900-Seelendorf, wo das halbe Jahr Schnee liegt, um das Erlernen des Romanisch, um relativ lange Reisen aus dem Engadin und nach dort zurück, und so weiter.

So hat für mich dieses Buch zwei Interessens-Ebenen. Wie ich schon sagte, interessiert es mich immer, wie jemand Natur beschreiben kann. Das ist der Autorin in musterhafter Art gelungen. Sie ist eine wahre Poetin.

Dafür haben mich die Alltäglichkeiten und die Berichte von Reisen mit Bahn und Flugzeug zu Lesungen in aller Welt weniger interessiert. Berichte über Anlässen im Dorf Sent, wie zum Beispiel das Singen im Gemischten Chor und die Konzerte in der Kirche, die Schulfeste, Feiern und sportlichen Veranstaltungen, bedeuten mir da schon einiges mehr.

Angelika Overath ist mit ihrem Mann und ihrem Kind in Sent heimisch geworden. Sent kann Leute brauchen, die hier heimisch werden wollen. Touristen sind natürlich auch willkommen; viele kommen alle Jahre wieder. Man kennt einander. Doch mit dem Unterengadin darf in touristischer Hinsicht nicht dasselbe passieren wie mit dem Oberengadin, das durch Leer- und Luxusbauten zubetoniert zu werden droht. Dieser Meinung ist nicht nur Angelika Overath.

Ein Buch, 250 Seiten stark, für drei, vier still vergnügte Lesestunden. Je nach dem, wie schnell man liest, und wie man viele Passagen auf sich einwirken lässt.