Buchhinweis im 
Mai
 
2017
 

Die Sehnsucht der Schwalbe

Rafik Schami
dtv

Rafik Schami hat mir mein Buch am 31.5.2012 nach einer Lesung in Baden signiert. Seither sind fünf Jahre verflossen. Und noch immer ist mir jener Leseabend präsent. Schami warnte damals vor den vielen Mächten, die in seinem Heimatland Syrien ganz unterschiedliche Interessen verträten. Er prangerte die Herrschaft des Assad-Regimes an, ohne einseitige Schuldzuweisungen zu machen; das Assad-Regime sei wenigstens noch ein Garant für die Freiheit und den Schutz des Christentums. Dies in dem Land, wo Paulus vor dem Tor der Hauptstadt sein Bekehrungs-Erlebnis hatte.

Rafik Schami, geboren 1946 in Damaskus, floh vor den Häschern des Staatsapparates im Jahre 1971 nach Deutschland. Hier schloss er sein Chemiestudium mit Erfolg ab. Seit 1982 ist er freier Schriftsteller, dessen Werk in 24 Sprachen übersetzt wurde. Dafür erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen. In seine Heimat zurückkehren konnte er nie mehr, da ihm dort die Verhaftung und ein Gerichtsverfahren wegen Beleidigung der Staatsmacht drohen würde.

Mit der „Sehnsucht der Schwalbe“ gelang ihm im Jahre 2007 ein wunderbar poetisches Werk über Liebe und Sehnsucht, über seine Heimat Syrien, über Freunde und Erinnerungen. Der Mittelpunkt ist der Dorfplatz in dem kleinen Dorf, wo die Schwester des syrischen Erzählers Lutfi eine arabische Hochzeitsfeier inszeniert, die Tage dauert. Lutfi erzählt dem Bruder der Braut die Geschichte seines Lebens. Wunderbare Schilderungen aus der Jugendzeit fesseln den Leser ebenso wie die abenteuerlichen Geschichten um seine Flucht nach Deutschland mit meisterlich gefälschten Papieren, über Abschiebungen nach Syrien und Wieder-Einreisen nach Deutschland, in jene Stadt, wohin ihn seine grosse Liebe zu Molly zieht. Er und Molly führen an den Wochenenden einen Flohmarkt. Und diesen Flohmarkt durchstreift regelmässig der deutsche Polizeidiener, der den illegal anwesenden Syrer der Justiz und der sicheren Abschiebung zuführt.
Am Ende der Erzählung gibt es doch noch eine Lösung für das Liebespaar.

Die „Sehnsucht der Schwalbe“ ist ein reines Lesevergnügen schon wegen Schamis Fabulier- und Erzählkunst. Was er von der Dramaturgie im syrischen Dorf, mit den Menschen auf dem Lande und vom Leben in Damaskus erzählt, ist hohe Kunst, immer leicht pointiert und mit feinem Humor. Sie bietet zugleich einen tiefen Einblick in die die hochstehende Kultur Syriens, der der Untergang und die Zerstörung durch den aktuellen Bürgerkrieg sicher ist.
Schamis Erzählung könnte in unserer Zeit, in der die Zuwanderung mit all ihren Problemen die ständigen Tagesthemen sind, aktueller nicht sein.

Ich habe das Buch genossen, es hat mich gefesselt, habe es aber auch voller Nachdenklichkeit aus den Händen gelegt. Nicht zu weit weg; denn immer wieder lädt es zum Naschen – sprich Nachlesen – ein. Es gleicht einem Bettmümpfeli, das man mit Genuss auf der Zunge zergehen lässt.