Buchhinweis im 
Juni
 
2017
 

Geld und Geist

Jeremias Gotthelf
Verlag Rentsch

Ist denn Gotthelf nicht von gestern? Wurden früher in Oberstufen-Lesebücher etwa noch Geschichten aufgenommen – ich erinnere mich an die fantastische Erzählung „Wie Uli der Knecht vom Hagelschlag heimgesucht wird“, ist es, wenn’s gut geht, nur noch „Die schwarze Spinne“, die als Meistererzählung ihre Lesebuch-Präsenz behaupten kann.
Gotthelfs Romane spiegeln zum Teil den erschreckenden Realismus des bäuerlichen Lebens im 19. Jahrhundert. Mit wenigen starken, wuchtigen Worten konnte Gotthelf Menschen und Landschaften beschreiben. Er verstand es wie kaum ein anderer Schriftsteller seiner Zeit, christliche und humanistische Forderungen in sein Werk einfliessen zu lassen.

Ich habe mir den Roman „Geld und Geist“ vorgenommen. Ein wichtiger Titel noch heute. Das Thema rund um Geld und Geist, ist damals wie heute brandaktuell. Gotthelf beschreibt eine Bauern-Familienidylle, die auf Grund eines finanziellen Versagens zu zerbrechen droht. Psychologisch mit feiner Feder finden Vater und Mutter wieder zusammen.
Das grosse Thema ist die Liebe des Resli zu einer Bauerntochter, deren Vater ein geiziger und berechnender, abgefeimter, hinterhältiger Mensch ist. Ganz am Schluss finden die beiden Liebenden zusammen. Das sei eine gewöhnliche, schon oft erzählte Geschichte, mag man heute einwenden. Ist sie aber nicht, es ist die ewige Geschichte von Menschen, die sich für Gott halten und rücksichtslos eigene Interessen vertreten. In diesem Sinne ist Gotthelfs Buch – sind überhaupt alle seine Bücher – topmodern.

Seit der Entstehung des Werks hat sich die Welt verändert. Wie die Menschen damals agierten ohne Telefon, ohne elektrischen Strom, wie sie den Naturgewalten ausgeliefert waren und diesen zu trotzen versuchten, wie eine Reise mit Ross und Wägelchen unternommen werden musste, das ist für mich als heutigen Leser schon bedenkenswert. Wie einfach das Leben war......

Sicher muss sich jeder Neuleser an die für Gotthelf spezifische Sprache gewöhnen, die eine Mischung von Hochdeutsch und Berner Mundart ist. Aber die ausdrucksstarke Schreib- und Redeweise ist gerade wegen dieser Vermischung einmalig. Die Sätze scheinen nur so aus dem Dichterhirn heraus zu plätschern und Form anzunehmen auf dem Papier. Manch treffender Vergleich macht seine Texte spannend. Gotthelfs Stil lässt einen wegen der vollendeten Kraft kaum los. Er wirkt lange nach. Nebenbei wird es einem bewusst, dass Gotthelf von Beruf Pfarrer war. Sein Gesamtwerk ist eine einzige Predigt darüber, wie das Gute immer in Gefahr ist, vom Bösem überwältigt zu werden.
Gotthelf ist der subtile Kenner alles Menschlichen; er weiss um das Menschsein von der Geburt bis zur Bahre.

1817 begann Albert Bitzius das Studium der Theologie in Bern, welches er 1820 abschloss. Nach einem Vikariat bei seinem Vater in Utzenstorf setzte er 1821 das Studium für ein Jahr in Göttingen fort. Auf der darauf folgenden Studienreise besuchte er Berlin, Weimar, Leipzig, Dresden und München. Im Frühjahr 1822 kehrte er nach Utzenstorf zurück. 1824 starb sein Vater. Albert Bitzius, so sein bürgerlicher Name, wurde Vikar in Herzogenbuchsee. 1829 kam er als Pfarrhelfer an die Heiliggeistkirche nach Bern. 1831 wechselte er als Vikar in die Pfarrei Lützelflüh im Emmental, wo er ein Jahr später zum Pfarrer gewählt wurde und bis zu seinem Tod im Jahre 1854 wirkte.