Buchhinweis im 
April
 
2017
 

Dr Chlaueputzer trinkt nume Orangschina

Ernst Burren
Cosmos Verlag

Wieder einmal Ernst Burren lesen, welch ein Vergnügen, in seine Solothurner Mundart einzutauchen, ihrem Wohlklang lauschen und ihre Kraft zu spüren!

Für einmal nennt Burren sein neues Werk einen Roman. Es sind nicht einfach Geschichten, die er uns auftischt, sondern eine zusammenhängende Geschichte von

  • Fridu Abegglen, dem Kleinbauern,
  • von Bethli, seiner Frau,
  • von Pöili, ihrem Sohn
  • von Erika, der Nichte von Bethli und
  • von Turi, dem Nachbarn des Kleinbauernpaares Fridu und Bethli

Die Geschichte beginnt mit dem Bad einer Unbekannten im Brunnentrog vor Fridus Bauernhaus. Es handelt sich um eine verwirrte junge Frau, die in ihrer Verzweiflung partout nicht mehr raus will aus dem Wasser. (Am Schluss begegnen wir dieser Person – oder ist es sie nicht? – als Lehrerin mit einer Schulklasse auf der Treppe der Solothurner St. Ursen-Kathedrale). Weil so viel Verrücktes passiert auf dieser Welt, schaut Bethli die Tagesschau am Fernsehen schon lange nicht mehr.

Das Leben des Kleinbauernpaares ist hart; Fridu will nicht aufgeben und der Scholle treu bleiben. Es gibt ihm zu denken, wie Kollegen viel Geld gemacht haben mit dem Verkauf ihres Hofes. Die neuen Blöcke im Dorf und deren Bewohner, die sich wegen des Schweinestallgeruchs beschweren, sind für ihn der Beweis für die ungute Entwicklung. Turi, einer, der seinen Betrieb aufgelöst und verkauft hat, träumt vom Privatisieren, kommt Fridu aber noch immer zu Hilfe wenn Not am Mann ist.

Pöili ist Lehrer, hart an der Grenze des Burnouts, geschieden von seiner Frau, die ihrem Sohn, der als Junge ein Fussballtalent war, die Karriere vermiest hat. Er hat eine neue Freundin.  Vom Staat bekommt er eine Auszeit bewilligt, während der er in Paris sein Französisch so aufbessern will, dass er nachher dieses Fach an seiner Schule unterrichten darf.

Bethli hat Fridu das übermässige Trinken abgewöhnt. Im Alter plagen ihn starke Rückenschmerzen. Über Krankheit wird viel geredet und darüber, wie es Leute schwer haben, mit ihrer Gebrechlichkeit zu leben. Sehr berührend, wie Burren vom Krankseinmüssen, aber auch von liebender Zuwendung Verwandter zu erzählen weiss.

Der Roman ist ein eigentliches Kaleidoskop des Lebens, wie es sich auf dem Lande leben lässt. Freuden und Leiden, Hoffnung und Enttäuschung, Gelingen und Versagen kommen in kraftvollen Sprachbildern daher. Eine erquickliche, aber ebenso tiefgründige Erzählung, in der Menschen im Mittelpunkt stehen, die man lesend liebgewinnt. Burren ist ein Menschenfreund, dem die Eigenschaft zur Maxime geworden ist: alles leben lieben, alles sehen, vieles übersehen.

Für mich wird die Lektüre von Burrens Dichtung ganz allgemein immer wieder zu einem frohmachenden Erlebnis. An Burrens eigenwillige, aber logische Mundart-Schreibweise gewöhnt man sich rasch, und nach und nach merkt man es: Burren feiert mit Dichtung seine Muttersprache.

Er ist 1944 geboren in Oberdorf SO, war Lehrer und lebt heute noch dort. Für sein dichterisches Schaffen ist er schon vielfach ausgezeichnet worden.