Buchhinweis im 
Oktober
 
2013
 

Die Sehnsucht im Herzen der Artischoke

Evelyne Bloch-Dano
Eine Gemüse-Kulturgeschichte
Verlag Nagel & Kimche

Der Mensch isst seit 7000 Jahren Kohl. Er ist das älteste Gemüse; der Blumenkohl, eine der vielen Untersorten, ist das meist gezüchtete Gemüse.
Der Kohl war während des Mittelalters das Grundnahrungsmittel der Landbevölkerung. Auf dem Land wurde täglich Kohlsuppe gegessen, zusammen mit Rüben oder Bohnen. In wohlhabenden Familie wurde ab und zu, etwa an Sonn- und Feiertagen, Speck oder Fleisch mitgekocht.

Die Mehrzahl der Kohlsorten stammt aus den Küstenregionen Europas. Am Ärmelkanal findet man noch die wilde Form mit den gelben kreuzförmigen Blüten. Alle Kohlgewächse  gehören zur Familie der Kreuzblütler, nämlich

  • Blattkohl (Weisskohl oder Kabis und Rotkabis)
  • Blumenkohl
  • Röselikohl
  • Kohlrabi
  • Blumenkohl
  • Broccoli

Ob das nun eine Lobeshymne auf das Kohlgemüse werden soll? Ich will es nicht unterlassen, auf die  vielen Arten der Zubereitung in verschiedenen Ländern und die vielen Berichte  von Gastmählern in der europäischen Literatur hinzuweisen. Das Buch bietet noch andere Schauplätze, auf denen es um Gemüse geht; es nennt sich mit Recht eine „Gemüse-Kulturgeschichte“. Des weiteren enthält es unterhaltsame Abhandlungen über Artischoke, Topinambur, Pastinake, Karotte, Erbse, Tomate, Bohne, Kürbis, Chili und Paprika. Insgesamt eine ausserordentlich vielfältige Gemüse- und Gartenkunde.

Die Geschichten sind amüsant und lehrreich geschrieben. Die Leserschaft entdeckt viel Neues und Unbekanntes. Wer weiss denn schon, dass zum Beispiel die Tomate kurz nach der Einführung der Kartoffel in Europa Fuss zu fassen versuchte? Die Verfolgung ihres Weges ist ein spannendes Kapitel in der Geschichte der Gemüsekulturen.  Das Misstrauen gegen die Tomate war gross. Die spanischen Eroberer brachten sie zwar nach Europa, nicht aber die Gebrauchsanweisung für ihre Verwendung. Von Spanien gelangte sie nach Neapel, breitete sich über den italienischen Stiefel aus (sie wurde da zuerst als Zierpflanze gezogen und sollte die Mücken vertreiben) und eroberte erst nach etwa zwei Jahrhunderten die Provence.

Die Verfasserin erzählt von den Abenteuern rund um das Gemüse und prophezeiht, dass es noch für manche Überraschung gut sein wird. Gemüse-Wirkstoffe, die der Zellalterung entgegenwirken können, sind bereits in Kapselform erhältlich. Die chilenische Schriftstellerin Isabel Allende zählt die Tomate zum Beispiel auch zu den aphrodisischen Pflanzen. Alltägliches entpuppt sich in diesem liebenswerten Buch als altes Kulturerbe.

Evelyne Bloch-Danos liefert im gut 150 Seiten zählenden Buch für jedes Gemüse auch noch ein Rezept, das nicht in gängigen Kochbüchern steht. Insgesamt  hat sie ein Buch geschrieben, das man als höchst spannenden Gemüseroman bezeichnen darf.