Buchhinweis im 
Mai
 
2015
 

Elizabeth und ihr Garten

Elizabeth von Arnim
insel Taschenbuch 1293

Das kann mir dann und wann schon passieren: Ich sehe in einer Auslage gebrauchter Bücher ein Werk eines bestimmten Verlages und denke; das kann doch so schlecht nicht sein. Meine jüngste Lektüre mit einem Insel-Taschenbuch war es jedenfalls nicht. Per Zufall, so kann man es sagen, kam ich zu einem schönen Lese-Erlebnis.

Die englische Autorin Arnim berichtet jeden Monat von ihrem Garten rund um ein herrschaftliches  Adelsgut. Es handelte sich um das Rittergut Nassenheide in Pommern, das sie in den Jahren 1898/99 mir ihrer Familie bewohnte.

Ich lese von Pflanzen, die ich nur noch dem Namen nach kenne, freue mich an Farben und Formen, lerne, wie man sie pflanzt und pflegt, wie der Boden für einzelne Arten beschaffen sein muss, ob er Dünger oder Kompost nötig hat und ob die Pflanze eher einen schattigen oder sonnigen Platz bevorzugt. Ich bin nur weit entfernt ein Pflanzengärtner, liebe aber Blumen, die aus einem richtigen Garten und nicht aus dem Treibhaus stammen, über alles.

Der Garten um das Schloss also ist die Grundlage des Romans von Elisabeth von Arnim. Drumherum baut sie Erzählungen von Menschen im und um den Garten während eines ganzen Jahres. Da lerne ich russische Bedienstete kennen, die als Saisonarbeiter im Sommer sklavenähnlich Schwerarbeit verrichten. Sie hausen wie Tiere zusammengepfercht, gehen in Lumpen, sind dreckig, trinken verdünnten Weinessig, kommen aber trotzdem bei Einbruch der Dunkelheit singend von ihren Feldern zurück. Und keine Überredungskünste vermögen sie an russischen Feiertagen zur Arbeit zu bewegen. Im Frühling, wo jede Stunde zählt, wird die Feldarbeit häufig durch Heiligenfeste unterbrochen.

Der Gatte der Schlossherrin ist in der Erzählung immer nur „der Grimmige“. So benimmt er sich gegenüber Frauen unflätig und ist der festen Überzeugung, Frauen seien Menschen aus der Unterschicht. Er scheint geheiratet zu haben, damit er im Krankheitsfalle jemanden hat, der ihn pflegt. Vom Zartgefühl und Güte zum Beispiel von einer Krankenschwester, hält er nichts. Nach seiner Erfahrung ist dies eine unangenehme Person, die in der Pflege eines Kranken die ausgezeichnete Möglichkeit findet, ihre Überlegenheit über die darniederliegende gewöhnliche Männerwelt zu demonstrieren. Er gibt für ihn „keine demütigendere Position, als krank im Bett zu liegen und sich die fiebrige Stirn von einer adrett gekleideten Frau abgewischt zu bekommen, die von Wäschestärke und Makellosigkeit nur so strotzt“.
Starke Worte sind das; sie zeigen, etwas übertrieben natürlich, die Denkweise einer gewissen Männerwelt um die Zeit der vorletzten Jahrhundertwende.

Auf einem Ausflug der Herrschaften lesen wir von der wunderbaren Landschaft an der Ostsee, aus Erzählungen einer Verwandten erfährt der Leser viel Schönes über Dresden, und durch tiefe Wälder fahrend, hören wir die Nachtigallen singen. Deren Melodien sind in den Text mit Noten eingestreut.

Kurz: Elizabeth und ihr Garten ist ein Roman, der einem viel Einblicke in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bietet. Es ist eine Welt, in die man genüsslich lesend eintaucht; die Sprache ist unmittelbar, lebendig, oft witzig und ironisch. Für Zwischendurch eine heitere, unterhaltsame Lektüre. Das Werk wurde für den Inselverlag aus dem Englischen von Adelheid Dormagen ins Deutsche übersetzt.

Gute Übersetzungen müssen inspirierend und bereichernd sein. Hier handelt es sich um eine solche.