Buchhinweis im 
Juni
 
2008
 

Lektionen des Lebens

Hélène Grimaud
blanvalet

Vorab interessierte mich das Buch, weil es aus der Feder einer Pianistin stammt. Und der Untertitel heisst "Ein Reisetagebuch".

Tatsächlich nahm sich die Künstlerin nach einer Periode intensiven Schaffens als Konzertpianistin eine Auszeit und stellte sich den existenziellen Fragen, die drängend aus ihrem Innersten aufstiegen. Von den Anforderungen ihres Berufes war Hélène Grimaud erschöpft. Nach vollen Konzertsälen, nach ihrem ersten Buch "Wolfssonate" und nach vielen CDs überkam sie das Gefühl einer grosse Leere, der sie entfliehen wollte. So begab sie sich auf eine Reise, von der sie selbst nicht wusste, wohin sie sie führen würde. Sie flog nach Rom.

Hélène Grimaud fand Antworten in der Schönheit der Landschaft, den Klängen der Natur, dem Nachdenken über das Leben und in offenen Begegnungen mit Menschen, die wie sie den Weg zu sich selbst gehen. Eine entscheidende Begegnung hatte sie mit Beatrice im Garten der Klarissinnen in Assisi.

Wie vorher als Konzertpianistin, so gelingt es Hélène Grimaud als Schriftstellerin, ihr Lesepublikum mitzunehmen, es Anteil nehmen zu lassen an der Suche nach dem Sinn des Lebens und ihrer Reise zum Glück und zu neuer kreativer Schaffenskraft.

»Lektionen des Lebens« ist der bewegende Bericht einer vielschichtigen Reise hin zu neuer Kraft und Lebensfreude. Grimauds zweites Buch wird zu einem unerwarteten Einblick in die Seele einer faszinierenden Künstlerin.

Vom Inhalt des Buches hat mich ganz besonders Grimauds Betrachtung zur Schule beeindruckt.

Schole, wovon sich das Wort "Schule" herleitet, bedeutet auf Griechisch "freie Zeit". Zeit der Freiheit. Aber die Zeit der Freiheit ist keine Zeit, die man benutzt, um nichts zu tun, sie ist eine Zeit, die man benutzt, um sich frei zu machen, also um zu lernen.

Die Schule ist das Erlernen der Freiheit, und der Schüler ist derjenige, der sich erhebt, der sich des Notwendigen, des Überflüssigen entledigt. Die Schole ist die Zeit des Wesentlichen:

  • Die Zeit, in der man sich dem öffnet, was ist, in der Wahrheit.
  • Die Zeit, in der man sich der menschlichsten Tätigkeit widmen kann: den Beschäftigungen der Seele, mag es sich um das Lesen, die Liebe oder die Entdeckung der Welt handeln.
  • Die Lehrer lehren, die Werke lehren ebenfalls. Als Musikerin hat sie verstanden, was gemeint ist.

Die Musik hat sie gebildet, sie hat sie erhoben: Bach, Mozart, Haydn, Rachmaninoff und alle die Komponisten, in deren Werke sie sich vertieft hat.

Das, was sie über Schule sagt, ist wirklich fundamental und beeindruckend. Das Buch liest sich leicht, flüssig. Neben allem Grundsätzlichen ist es über weite Strecken recht unterhaltsam.