Buchhinweis im 
April
 
2011
 

Seerücken

Peter Stamm
S. Fischer-Verlag

Peter Stamm ist ein Erzähler, wie ich ihn gerne mag. Es geht bei ihm immer direkt zur Sache, das heisst zum Gegenstand des Erzählens. Ohne lange Umschweife; in wenigen Sätzen oder sogar schon im ersten ist man mitten in einer Handlung oder in einer Stimmung. „Erst als ich mein Fahrrad abschloss, wurde mir bewusst, dass etwas anders gewesen war als sonst“ oder „Ich sage nicht, sie haben uns belogen, sagte Alice, aber sie haben uns nicht die Wahrheit gesagt.“ sind Anfänge von Geschichten, wie ich sie meine.

In der ersten Erzählung „Sommergäste“ bin ich als Leser mit drin in einem Hotel, in dem kein einziger Mensch zu finden ist als eine recht wortkarge Wirtin Ana, von der man nie weiss, was sie eigentlich mit ihrem Gast vorhat. Sie lässt niemanden an sich heran; man weiss nicht, was sie ausser der Zubereitung einfachster Mahlzeiten tut und in welchem Zimmer sie haust. Als eines Morgens Konkursbeamte erscheinen, ist Ana nicht mehr da. Von der Polizei erfährt man dann, dass auch sie ausser leeren Dosen und schmutzigem Geschirr bei einer Hausdurchsuchung nichts gefunden hatte. Fertig ist die Geschichte; sie lässt mich als Leser mit der Frage allein, wo Ana nun wohl ist, und was mit ihr passiert sein könnte.

In allen zehn Erzählungen, die im Band „Seerücken“ versammelt sind, wird drängend immer das wichtig, was zwischen den Zeilen oder am Ende weggelassen ist. So habe ich dieses Buch fast in einem Zug gelesen. War die eine Erzählung zu Ende, interessierte es mich schon, was es wohl in der nächsten an unvermittelten Überraschungen geben wird. Meine Lesefreude nährte sich natürlich auch an der brillanten Erzählkunst Peter Stamms. Eigentlich habe ich mich erst durch die Lektüre der Erzählungen in „Seerücken“ Peter Stamm wieder genähert. In meiner Bibliothek sah ich nach, was denn sonst von ihm vorhanden ist. „An einem Tag wie diesem,“ heisst das Buch, das ich vor Jahren gelesen hatte und es – weiss Gott warum – einfach wieder ins Regal gestellt und vergessen hatte.

Ein paar Tage nach meiner Lektüre der Erzählungen in „Seerücken“ kam dann der grosse Ärger. Ich hatte gehört, dass man im „Literaturclub“ des Schweizer Fernsehens „Seerücken“ besprechen wollte. Eigentlich hatte ich mir einmal vorgenommen, diese Sendung mit der aufgeregten und eingebildeten Iris Radisch nicht mehr zu anzusehen. Nun sagte doch diese Dame, Peter Stamm könne gar nicht erzählen, und zwei andere Literaturkritiker sprachen über Stamms Erzählungen so gescheit, dass ich nur noch „Kannitverstan“  im Kopf hatte. Einzig Beatrice von Matt sagte über Stamms Literarisches Schaffen Dinge, die von Sachverstand zeugten. Die Sendung „Literaturclub“ werde ich mir – jedenfalls so lange diese übergescheite deutsche Dame sie moderiert - garantiert nicht mehr anschauen.

Der Seerücken ist übrigens das Hügelgebiet auf der Schweizer Seite am Bodensee; es ist die eigentliche Heimat Peter Stamms, der Thurgau mit Weinfelden, wo er aufgewachsen ist. Heute lebt und arbeitet er in Winterthur.

Ein bedeutender Schweizer Schriftsteller; gut, dass es ihn gibt.

Neuen Kommentar schreiben

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Internet- und E-Mail-Adressen werden automatisch umgewandelt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.