Buchhinweis im 
April
 
2010
 

Va’ Pensiero. Geschichte eines Fremdarbeiters aus Ligurien.

Sergio Giovanelli-Blocher
Edition 8

Ich habe das Buch mit dem leuchtend roten Umschlag als Geschenk erhalten und mir gedacht, ich werde es gelegentlich mal lesen.

Der mir das Buch geschenkt hat, weiss, dass ich eine besondere Beziehung zu Ligurien habe, da ich im Jahr mehrere Wochen dort lebe. Und für die Blochers interessiere ich mich auch. Sergio Giovanellis Frau Judith ist die Schwester von Christoph Blocher. Sie hat vor Jahren ein Buch über ihren Bruder veröffentlicht.

Sei dem, wie es wolle, ich nahm das Buch – gerade in Ligurien weilend – zur Hand, legte mich zum Lesen hin und tauchte ein in eine faszinierende, ehrlich und gradlinig verfasste Biographie eines Italieners. Den Typ von Italiener wie ich ihn als Arbeiter aus meiner Jugendzeit in Erinnerung habe. Die auf dem Bau waren begehrt und geschätzt, ungelernte Arbeitskräfte arbeiteten in der Landwirtschaft, in Handwerk und Industrie. Nicht nur in der Schweiz suchten Italiener Arbeit und Verdienst. Sie lebten bescheiden, waren sparsam und überwiesen am Ende des Monats an den Postschaltern einen Grossteil ihres Zahltags den Angehörigen in ihrer Heimat. Ansonsten waren sie – verständlicherweise – wenn möglich immer unter sich, in den Dörfern und Regionen ihres Gastlandes.

Sergio Giovanelli, Jahrgang 1935, wanderte im Jahre 1963 in die Schweiz ein und fand Arbeit im Hotel Bären in Gerzensee. Ein wahrlich abenteuerliches Arbeiterleben in der Schweiz nahm seinen Anfang. In der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung fand der Italiener den ersten Halt, engagierte sich und machte von daher manch politische Erfahrung in einer Gesellschaft, wie er sie von Italien her nicht gekannt hatte.

Seine Biographie zeichnet ein Stück schweizerische Geschichte der Nachkriegszeit nach. Hautnah erlebte Sergio Giovanelli die Ängste während den drei Überfremdungsinitiativen Schwarzenbachs. Und immer wieder die Hintansetzung an seinen verschiedenen Stellen. Zu den Sorgen hier zu Lande kamen die aus der ligurischen Heimat, wo Mutter Ida das Regiment führte und das Geld aus der Schweiz wie selbstverständlich einnahm. Sergio ist der Typ der Zerrissenheit zwischen zwei Ländern, wie es ihn wohl abertausende Male gegeben hat.

Trotzdem: auch die Immigranten leisteten ihren Beitrag für ein allmählich offenes Verhältnis zweier oder verschiedener Kulturen. Die Mehrzahlform, Kulturen, ist wohl richtig; denn den Italiener gibt es nicht. Italien ist (noch heute!) ein Land verschiedener Volksstämme und Kulturen.

Der Autor gewann im Laufe der Lektüre meine Sympathie. Obwohl diese und jene Bemerkung über unser Land, über die Schweizer (aber auch den Schweizer gibt’s ja nicht), keineswegs nur schmeichelhaft sind.

Das Buch kommt aus der Edition 8, einem kleinen Zürcher Genossenschafts-Verlag, den ich bisher nicht gekannt hatte. Er publiziert Bücher von Autoren, die sonst nirgends unterkämen und nimmt sich der Geschichte der Arbeiterbewegung und der Welt der Arbeiter an.